rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit eines Lohnsteuerhaftungsbescheides gegen den Arbeitgeber bei Aufdeckung von früheren eigennützigen Lohnsteuermanipulationen von Arbeitnehmern bei der nächsten Lohnsteueraußenprüfung. Verhältnis der Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO und der Exkulpationsmöglichkeit nach § 169 Abs. 2 S. 3 AO. Kein Haftungsausschluss nach § 42d Abs. 2 EStG aufgrund einer erst vom Lohnsteuerprüfer angestoßenen Anzeige des Arbeitgebers nach § 41c Abs. 4 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat die für Lohnbuchhaltung zuständige (ehemalige) Personalleiterin einer GmbH durch Manipulationen im Bereich des Lohnsteuerabzugsverfahrens zu ihren eigenen Gunsten ihre eigene Lohnsteuer teilweise hinterzogen und wird dieser Sachverhalt dem Finanzamt erst nach Abschluss einer Lohnsteueraußenprüfung im Rahmen der nächsten Lohnsteueraußenprüfung bekannt, so steht die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO dem Erlass eines Lohnsteuerhaftungsbescheids gegen die GmbH als Arbeitgeberin nicht entgegen. Soweit auch im Rahmen des § 173 Abs. 2 AO eine Exkulpationsmöglichkeit nach dem Vorbild des § 169 Abs. 2 Satz 3 AO bestehen sollte, kann sich die GmbH jedenfalls darauf nicht berufen, wenn sie die Personalleiterin mit der Erfüllung der lohnsteuerlichen Aufgaben beauftragt hatte und die Personalleiterin damit als „Erfüllungsgehilfin” i.S. von § 169 Abs. 2 Satz 3 AO anzusehen war.
2. Der Erlass eines (erneuten) Haftungsbescheids gegen die Arbeitgeberin wird weder dadurch ausgeschlossen, dass das Finanzamt nach der früheren Lohnsteueraußenprüfung gegen die Arbeitgeberin wegen anderer Sachverhalte schon einen Haftungsbescheid erlassen hat, noch dadurch, dass die Arbeitgeberin sofort eine Anzeige nach § 41c Abs. 4 Satz 1 EStG beim Finanzamt gemacht hat, nachdem sie aufgrund der Tätigkeit des Lohnsteuerprüfers bei der Lohnsteuerprüfung für die Folgejahre die Manipulationen der ehemaligen Personalleiterin entdeckt hatte.
3. § 42d Abs. 2 EStG ist einschränkend dahin auszulegen, dass die Anzeige die Arbeitgeberhaftung nur entfallen lässt, wenn ein Tatbestand i.S.v. § 41c Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 41c Abs. 1 Nr. 2 2. Alternative EStG, § 41c Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 EStG oder § 41c Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 3 EStG vorliegt. Dies muss jedenfalls gelten, wenn der Arbeitgeber nicht aus eigenem Antrieb, sondern erst aufgrund von Hinweisen oder Feststellungen des Lohnsteuerprüfers im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung die fehlerhafte Behandlung anzeigt.
Normenkette
AO § 173 Abs. 2, § 169 Abs. 2 S. 3, § 191 Abs. 1 S. 1, § 130 Abs. 2; EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 38 Abs. 3 S. 1, § 41a Abs. 1 S. 1, § 41c Abs. 1 Nrn. 1-2, Abs. 4 S. 1 Nrn. 1, 3
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin als Arbeitgeberin für Lohnsteuern, Solidaritätszuschläge und evangelische Kirchensteuern (nachfolgend: Lohnabzugsbeträge), die durch Steuerhinterziehungen einer Arbeitnehmerin zu niedrig angemeldet und abgeführt worden waren, in Haftung genommen werden durfte.
Die Klägerin ist eine GmbH. Sie betreibt in Bremen ein …. Für die Lohnbuchhaltung der Klägerin war in den Jahren 2001 bis 2003 die Personalleiterin K zuständig. Die Lohnsteueranmeldungen für die einzelnen Monate der Jahre 2001 bis 2003 wurden jeweils im Folgemonat beim Beklagten abgegeben.
K manipulierte in den Jahren 2001 bis 2003 die bei der Klägerin für ihre Person geführten Gehaltsabrechnungen und monatlichen Lohnjournale sowie die Banklisten und erreichte hierdurch, dass die Klägerin um insgesamt 43.617,17 EUR zu geringe Lohnabzugsbeträge einbehielt und anmeldete. Die genaue Vorgehensweise von K beschreibt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in einem Aktenvermerk vom 9. Februar 2007. Dieser beruht auf der Diktataufnahme eines Gesprächs mit dem neuen Personalleiter der Klägerin, Herrn L:
„AKTENVERMERK
[…]
Wegen: Ablauf des Betrugsfalles K
Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, auf der Lohnsteuerkarte vom Finanzamt einen monatlichen oder jährlichen Freibetrag eintragen zu lassen.
Im Lohnprogramm muss man in diesen Fällen den monatlichen oder jährlichen Steuerfreibetrag von der Lohnsteuerkarte übernehmen und der Berechnung der monatlichen Lohnsteuer zugrunde legen.
Als Ergebnis ergibt sich, dass das monatliche Gehalt mit einem geringeren Steuersatz angesetzt wird und weniger Lohnsteuer einbehalten und abgeführt wird. Die Nettoauszahlung erhöht sich entsprechend.
Dies hat Frau K für sich selbst getan.
Jedoch war ein Freibetrag für die betreffenden Monate und Jahre auf der entsprechenden Lohnsteuerkarte K nicht eingetragen.
Die Eintragung des Freibetrages ist im Lohnprogramm in jedem Monat möglich.
Jedoch kann im Januar eines aktuellen Abrechnungsjahres keine Rückrechnung in das Vorjahr erfolgen, da der Jahresabschluss im Lohnprogramm dies ausschließt.
Soweit man die Eintragung des Freibetrages in einem der Folgemonate ...