Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG für ein –aufgrund Aufenthaltsstatus– nicht vom Arbeitsamt als arbeitsplatzsuchend geführtes Kind. Kein Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG bei anderen Gründen für den Nichtantritt einer Ausbildung als dem Fehlen eines Ausbildungsplatzes
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist der Aufenthalt des seine Schulausbildung abbrechenden Kindes eines türkischen Staatsangehörigen mit unbefristeter Aufenthaltsberechtigung in Deutschland lediglich gem. § 69 Abs. 2 AuslG vorläufig geduldet und führt die Argentur für Arbeit das Kind aufgrund seines aufenthaltsrechtlichen Status nicht als arbeitsuchend, besteht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG verfassungsgemäß kein Anspruch auf Kindergeld.
2. Die Berücksichtigung eines Kindes wegen mangelnden Ausbildungsplatzes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfordert neben dem Nachweis ernsthafter Bemühungen um einen Ausbildungsplatz, dass der Nichtantritt der Ausbildung allein durch die mangelnde Verfügbarkeit eines Ausbildungsplatzes begründet ist. Ein Kindergeldanspruch nach dieser Vorschrift besteht nicht, wenn der Nichtantritt der Ausbildung durch das Kind auf andere Gründe als das Fehlen eines Ausbildungsplatzes zurückzuführen ist. Das gilt auch bei nicht durch das Kind bzw. den Kindergeldberechtigten, sondern ggf. durch die Agentur für Arbeit zu vertretenden Gründen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nrn. 1, 2 Buchst. c; SGB III § 36 Abs. 1, §§ 284-285; ArGV §§ 5, 1; AuslG § 69 Abs. 2-3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am geborene, kindergeldberechtigte Kläger ist Vater von drei ehelichen Kindern, türkischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Unter dem 09. Dezember 1986 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (KGA Bl. 46). Vorliegend streiten die Beteiligten um die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Erstattung des nach Auffassung der Beklagten überzahlten Kindergeldes für den Sohn A. des Klägers für die Monate August 2003 bis Mai 2004 (10 Monate × 154 EUR =) 1.540,00 EUR. Im Einzelnen geht es um folgenden Sachverhalt:
Mit Bescheid vom hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für A. für die Zeit von August 2003 bis Mai 2004 nach § 70 Abs. 2 EStG auf, weil er seine Schulausbildung abgebrochen und sich somit nicht mehr in Ausbildung befunden habe (§ 32 Abs. 4 Ziff. 2. Buchst. a) EStG). Zugleich verfügte sie die Erstattung überzahlten Kindergeldes für diesen Zeitraum in Höhe von 1.540,00 EUR nach § 37 Abs. 2 AO.
Der Kläger – zunächst vertreten durch seinen Sohn A. erhob dagegen am 29. November 2004 Einspruch, der wie folgt begründet wurde: Es sei richtig, dass er – A. – seine Schulausbildung abgebrochen hätte. Er habe sich daraufhin als arbeits- und ausbildungsplatzsuchend gemeldet. Durch das Arbeitsamt sei ihm erklärt worden, dass damit der Anspruch auf Kindergeld aufrecht erhalten bleibe. Ihm sei aber die dafür benötigte Arbeitserlaubnis unbegründet verweigert worden. Er – A. – habe daraufhin im April 2003 einen Anwalt beauftragt, und es sei ihm nunmehr ab 2004 bei gleichen Voraussetzungen bzgl. des Aufenthaltsrechts die Genehmigung erteilt worden. Damit sei klargestellt, dass die vorherige Weigerung und das Nichtführen als ausbildungs- bzw. arbeitssuchend rechtswidrig gewesen seien und der Anspruch auf Kindergeld bestanden habe. Er sei die gesamte Zeit auf Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gewesen. Im Übrigen sei er – A. – nicht in der Lage, das Kindergeld zurück zu zahlen. Er habe es für seinen Unterhalt verbraucht, seit ca. sechs Monaten lebe er von Sozialhilfeleistungen.
Mit Einspruchsentscheidung vom wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, die Berücksichtigungstatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG lägen für den Zeitraum August 2003 bis Mai 2004 nicht vor bzw. seien nicht nachgewiesen. Eine Berücksichtigung des A. nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG sei nicht möglich, weil er im Streitzeitraum nicht beim Arbeitsamt bzw. einer Agentur für Arbeit als arbeitslos/arbeitsuchend gemeldet gewesen sei bzw. eine entsprechende Meldung nicht nachgewiesen sei. Auf die Gründe dafür komme es nicht an. Eine Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2. c) EStG sei davon abhängig, dass es dem Kind trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen sei, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Die Bewerbung müsse für den nächstmöglichen Ausbildungsbeginn abgegeben werden. Die ernsthaften Bemühungen um einen Ausbildungsplatz seien gegenüber der Familienkasse nachzuweisen. Als Nachweise kämen folgende – hier nicht gegebene – Tatbestände in Betracht:
- Schriftliche Bewerbungen unmittelbar bei Ausbildungsstellen sowie deren Zwischennachricht oder Ablehnung,
- die schriftliche Bewerbung bei der zentralen Vergabestelle ...