rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflege-Pauschbetrag bei Pflege des hilflosen Vaters durch die Tochter. Einkommensteuer 1999
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Pflege des hilflosen Vaters (Behinderungsgrad 100 %, Merkmal „H”) in dessen Wohnung durch die Tochter ist auch dann aus sittlichen Gründen zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 EStG, wenn der Vater das von ihm erhaltene Pflegegeld (hier: nach § 37 Abs. 1 SGB XI) nicht an seine Tochter weiter geleitet hat.
2. Der Tochter steht in diesem Fall der Pflege-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 6 EStG zu. Sie ist insoweit nicht verpflichtet, die Verwendung des im Verfügungsbereich des Vaters verbliebenen Pflegegeldes nachzuweisen.
Normenkette
EStG 1999 § 33b Abs. 6, § 33 Abs. 2
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 1999 vom ….2000 und die Einspruchsentscheidung vom ….2000 werden dahingehend geändert, dass ein Pflegepauschbetrag in Höhe von 1.800 DM steuermindernd berücksichtigt wird.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin für den Veranlagungszeitraum 1999 der Pauschbetrag nach § 33b Abs. 6 EStG zu gewähren ist.
Mit Bescheid des Versorgungsamtes vom …1994 wurde der Grad der Behinderung des Vaters der Klägerin auf 100% und das gesundheitliche Merkmal „H” gem. § 4 Abs. 4 SchwbG festgestellt.
Der ambulante Pflegedienst der Sozialstation führte die Betreuung des Vaters der Klägerin stundenweise durch. In diesem Rahmen suchte der ambulante Pflegedienst den Vater der Klägerin an 99 Tagen im Jahr 1999 auf, nahm eine große und kleine Pflege vor und räumte die Wohnung auf. Im Jahr 1999 zahlte die AOK zu diesem Zweck Pflegesachleistungen in einer Gesamthöhe von … DM sowie Pflegegeld in Höhe von … DM. Das Pflegegeld wurde dem Bankkonto des Vaters der Klägerin gutgeschrieben; die als Pflegesachleistung gezahlten Beträge wurden direkt an den ambulanten Pflegedienst der Sozialstation gezahlt.
Das von der Pflegeversicherung gezahlte Pflegegeld leitete der Vater nicht an die Klägerin weiter.
An den Tagen, an denen die Pflege nicht durch den ambulanten Pflegedienst durchgeführt wurde, pflegte die Klägerin ihren Vater. In diesem Rahmen bereitete sie das Essen für ihren Vater vor, reinigte das Haus, wusch die Wäsche, tätigte Einkäufe und löste Rezepte ein.
In ihrer Einkommensteuererklärung 1999 beantragte die Klägerin den Ansatz des Pflegepauschbetrages nach § 33b Abs. 6 EStG.
In dem Einkommensteuerbescheid 1999 vom …2000 berücksichtigte der Beklagte den Pflegepauschbetrag nicht.
Am …2000 legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, ihr entstünden aus der Pflege ihres Vaters Aufwendungen, welche im einzelnen nicht nachgewiesen werden müssten. Die von der AOK gezahlten Beträge an Pflegesachleistungen und Pflegegeldern seien der Klägerin nicht als Einnahmen i. S. v. § 8 EStG zugeflossen. Auch sei die Beschäftigung einer anderen Pflegeperson neben der Klägerin nicht schädlich.
Mit Einspruchsentscheidung vom …2000 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Eine Zwangsläufigkeit bestehe im Streitfall im Hinblick auf die zweckgebundene Gewährung des Pflegegeldes nicht. Unter diesem Gesichtspunkt sei auch unerheblich, ob das für die familiäre Pflege zur Verfügung stehende Pflegegeld weitergeleitet werde oder der hilflosen Person verbleibe. Deshalb könne der Pflegepauschbetrag nur ausnahmsweise in den Fällen gewährt werden, in denen für die familiäre Pflege kein Pflegegeld zur Verfügung stehe. Die Klägerin habe zu der Verwendung des Pflegegeldes keine Angaben gemacht.
Am …2000 hat die Klägerin Klage erhoben.
Auch im vorliegenden Fall sei eine Zwangsläufigkeit der bei der Klägerin entstandenen Pflegekosten gegeben. Ziel der Einführung des Pflegepauschbetrages sei es nämlich gewesen, die häusliche Pflege zu stärken und die Belastungen, die die persönliche Pflege eines Schwerpflegebedürftigen mit sich bringe, in angemessenem Rahmen steuerrechtlich anzuerkennen (Blümich EStG § 33b Anm. 80).
Der von dem Beklagten geforderte Nachweis der Verwendung des vom Vater der Klägerin erhaltenen Pflegegeldes sei unbillig, weil der Pflegebedürftige mit den erhaltenen Beträgen nach seinem Ermessen habe verfahren können und die Klägerin zu keiner Zeit die Sachherrschaft oder Verfügungsbefugnis über das dem Vater ausbezahlte Pflegegeld gehabt habe. Das ausgezahlte Pflegegeld sei in keinem Fall für eine entgeltliche Betreuung in der Pflegestufe II als angemessen oder ausreichend anzusehen.
Die Klägerin habe keine Zahlungen aus der Pflegeversicherung zur Abgeltung von Pflegeleistungen und darüber hinaus auch sonst keinerlei Zahlungen von ihrem Vater zur Abgeltung von Pflegeleistungen erhalten. Bei § 33b Abs. 6 EStG werde nach ständiger Recht...