Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Zwecke der Unternehmensnachfolge innerhalb einer Familien-Unternehmensgruppe erfolgte Schenkung von Kommanditanteilen an ein für ein Unternehmen der Gruppe tätiges Familienmitglied kein steuerpflichtiger Arbeitslohn
Leitsatz (redaktionell)
1. Können in einer Familien-Unternehmensgruppe nur zur qualifizierten Leitung von operativen Unternehmen geeignete leibliche Abkömmlinge eines bestimmten Familienmitglieds Gesellschafter werden und werden einem von den beherrschenden Gesellschaftern für geeignet erachteten, bislang nur als Prokurist bei einem Unternehmen der Gruppe tätigen Familienmitglied Kommanditanteile an mehreren Gesellschaften der Gruppe im Wege der Schenkung übertragen, deren Wert die Höhe seines Arbeitslohs weit übersteigt, so ist davon auszugehen, dass die Übertragungen der Gesellschaftsanteile nicht als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft des beschenkten Familienmitglieds, sondern zur Regelung der Unternehmensnachfolge innerhalb des Familienverbundes erfolgt sind, und dass es sich nicht um Arbeitslohn, sondern um Schenkungen im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG handelt. Insoweit ist unerheblich, dass die Schenkung an eine Tätigkeit innerhalb der Unternehmensgruppe geknüpft ist und befristet widerrufen werden kann; der Umstand, dass die Zuwendung ohne die berufliche Tätigkeit nicht erfolgt wäre, führt nicht zur Annahme von steuerpflichtigem Arbeitslohn.
2. Für eine Übertragung der Kommanditanteile zum Zwecke der Unternehmensnachfolge im Rahmen des Familienverbundes und gegen eine Einstufung der Übertragung als Arbeitslohn spricht es, wenn
- vergleichbare Zuwendungen nur an Familienmitglieder, nicht aber an andere Arbeitnehmer der Unternehmensgruppe erfolgt sind,
- der Übertragungsvertrag von „Schenkung” spricht und keine Anhaltspunkte dafür enthält, dass die Übertragung als Gegenleistung für frühere oder künftige Dienste für die Gesellschaft erfolgen soll, bei der der Beschenkte aktuell angestellt ist,
- der Wert der übertragenen Anteile den aktuellen Arbeitslohn des Beschenkten um ein Vielfaches übersteigt.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2; ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
Der Bescheid über Einkommensteuer 2014 vom 14. November 2019 und die Einspruchsentscheidung vom 4. Mai 2021 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. von 110 v. H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Übertragung von Kommanditanteilen einen Vorteil aus einem Dienstverhältnis darstellt, der zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geführt hat.
Die Kläger sind verheiratet und wurden für das Streitjahr 2014 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger war seit dem 1. Januar 2012 als kaufmännischer Mitarbeiter bei der … (A-GmbH) beschäftigt. Die ihm erteilte Prokura wurde am 20. Februar 2014 zum Handelsregister angemeldet und am 5. Mai 2014 eingetragen. Vom 14. Januar 2015 bis zum 12. Juli 2016 war der Kläger Geschäftsführer der A-GmbH. Neben seiner monatlichen Grundvergütung erhielt er eine auf das Ergebnis seines Arbeitgebers bezogene erfolgs- und leistungsabhängige Tantieme. Der Bruttoarbeitslohn 2014 betrug … EUR. Am 12. Juli 2016 wurde er zum Geschäftsführer der … (B-GmbH) berufen.
Die A-GmbH ist eine der … operativen Gesellschaften der … Unternehmensgruppe. Weitere operative Gesellschaften sind die B-GmbH und die … GmbH (C-GmbH). Alleinige Gesellschafterin dieser Gesellschaften war im Streitjahr jeweils eine Beteiligungs-GmbH & Co KG, die … (A-KG), die … (B-KG) und die … (C-KG), an denen die Brüder … (A), geboren in 19.., und … (B), geboren in 19.., zu je 50% als Kommanditisten jeweils mit einer Kommanditeinlage von 50.000 EUR beteiligt waren. Komplementärinnen der A-KG, B-KG und C-KG waren Gesellschaften mit beschränkter Haftung ohne Kapitaleinlage, deren Gesellschafter die Beteiligungs-GmbH & Co. KGs waren.
Zur Unternehmensgruppe gehört die vermögensverwaltende … AG (AG), die Betriebsgrundstücke an die operativen Gesellschaften vermietet. Die AG ist weiterhin als atypische stille Gesellschafterin an der A-GmbH und der B-GmbH beteiligt. Aktionäre der AG sind die Nachkommen des verstorbenen …, seine … Kinder bzw. deren Stämme zu jeweils gleichen Teilen. Der Kläger hielt seit 2010 Aktien der AG und war gemeinsam mit A und B Mitglied des Aufsichtsrats der AG.
Der Kläger ist Neffe der Brüder A und B.
Mit drei Verträgen „über die Schenkung und Übertragung von Kommanditanteilen” vom 12. März 2014 übertrugen A und B dem Kläger Kommanditanteile in Höhe von jeweils 12,5% an der A-KG, B-KG, und C-KG mit wirtschaftlicher Wirkung zu...