Entscheidungsstichwort (Thema)
Streit über die Zulässigkeit einer vom Finanzamt vorgenommenen Aufrechnung: Unzulässigkeit einer vor Ergehen eines Abrechnungsbescheides erhobenen Leistungsklage. keine Umdeutung der Leistungsklage in Anfechtungsklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist bei einem Streit über die Zulässigkeit einer vom Finanzamt vorgenommenen Aufrechnung ein Abrechnungsbescheid ergangen, kann eine auf Zahlung gerichtete Leistungsklage erst dann erhoben werden, wenn durch einen Abrechnungsbescheid über das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs entschieden worden ist. Sofern ein Insolvenzverwalter Einwendungen gegen die durch eine Finanzbehörde erklärte Aufrechnung erheben will, ist dies nur im Wege der Anfechtungsklage gegen einen Abrechnungsbescheid möglich. Eine unmittelbare Klage auf Zahlung im Wege einer allgemeinen Leistungsklage ist unzulässig (Anschluss an Finanzgericht Köln, Urteil v. 18.9.2014, 4 K 4021/11, EFG 2014 S. 2156).
2. Eine bereits vor Ergehen des Abrechnungsbescheids erhobene Leistungsklage kann nicht in eine Anfechtungsklage umgedeutet werden. Ein im Rahmen einer unzulässigen Leistungsklage nachträglich hilfsweise gestellter Antrag auf Aufhebung des erst nach Klageerhebung ergangenen Abrechnungsbescheids ist unzulässig.
Normenkette
AO § 218 Abs. 2, §§ 226, 47; FGO § 40 Abs. 1, § 44 Abs. 1, §§ 45, 67 Abs. 1; InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Zulässigkeit einer Aufrechnung.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der … GmbH (A GmbH).
Der A GmbH stand ein Erstattungsanspruch für die Kalenderjahre 2011 und 2012 in Höhe von … EUR zu. Sie schuldete Steuern für den Zeitraum 19. – 31. Dezember 2012 in Höhe von … EUR, fällig am 20. Januar 2013, und für den Zeitraum 1. – 31. Januar 2013 in Höhe von … EUR, fällig am 20. Februar 2013.
Die A GmbH beantragte am 28. Januar 2013 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 29. Januar 2013 … wurde das vorläufige Insolvenzverfahren angeordnet und der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestimmt.
Mit Schreiben vom 18. März 2013 erklärte der Beklagte gegenüber dem Kläger die Aufrechnung der Forderung auf Entrichtung der Steuern für die Zeiträume 19. – 31. Dezember 2012 und 1. – 31. Januar 2013 in Höhe von insgesamt … EUR gegenüber dem Erstattungsanspruch für die Kalenderjahre 2011 und 2012.
Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 1. April 2013 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Schreiben vom 19. August 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass nach Aufrechnung ein Erstattungsanspruch in Höhe von … EUR bestehe. Der Kläger teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 15. September 2015 mit, dass er von der Unwirksamkeit der Aufrechnung ausgehe, und forderte den Beklagten zur Erstattung des Betrages von … EUR zzgl. Zinsen auf. Am 6. März 2017 zahlte der Beklagte … EUR an den Kläger.
Auf den Antrag des Klägers vom 31. August 2017 erteilte der Beklagte am 25. September 2017 einen Abrechnungsbescheid, in dem ein Resterstattungsanspruch / Reststeueranspruch von 0,00 EUR ausgewiesen wurde.
Der Einspruch des Klägers vom 24. Oktober 2017 gegen den Abrechnungsbescheid wurde mit Einspruchsentscheidung vom 27. April 2018 zurückgewiesen.
Bereits am 23. Dezember 2016 ist bei dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg Leistungsklage erhoben worden. Mit Beschluss vom 23. Februar 2017 5 K 5343/16 hat sich das Finanzgericht Berlin-Brandenburg für den Rechtsstreit örtlich nicht zuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Finanzgericht Bremen verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2018, der am 28. Mai 2018 beim Finanzgericht eingegangen ist, hat der Kläger hilfsweise die Aufhebung des Abrechnungsbescheids vom 25. September 2017 beantragt. Der Kläger hat weiterhin die Erledigung des Rechtsstreits bezüglich eines Teilbetrages in Höhe von … EUR erklärt. Die Erledigungserklärung ist dem Beklagten unter Hinweis auf die Rechtsfolge des § 138 Abs. 3 FGO am 4. Juni 2018 zugestellt worden. Der Kläger führt in diesem Schriftsatz weiter aus, dass er „an der erhobenen Leistungsklage festhält” und „rein vorsorglich hilfsweise beantragt”, den Abrechnungsbescheid aufzuheben. Es stehe unzweifelhaft fest, dass ihm ein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der erhobenen Leistungsklage zukomme und es aus prozessökonomischen Gründen nicht sachgerecht sei und einer geradezu querulatorischen Förmelei gleichkomme, ihn nunmehr auf eine neue Anfechtungsklage gegen den Abrechnungsbescheid vom 25. September 2017 zu verweisen.
Der Kläger sieht die von ihm erhobene Leistungsklage als zulässig an. Er habe ein Rechtsschutzbedürfnis. Die Klage sei jedenfalls durch die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage im Schriftsatz des Klägers vom 23. Mai 2018 zulässig geworden. Er begehre ausdrücklich die Aufhebung des Abrechnu...