Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrags auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens
Tenor
Das Finanzamt wird verpflichtet, den Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens vom 05.11.1998 zurückzunehmen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Finanzamt auferlegt.
Gründe
Die Antragstellerin ist eine 1991 gegründete Ein-Mann-GmbH, welche 1996 ihren Sitz nach L…, M…-straße 22, verlegte. Nach einem Wechsel des steuerlichen Beraters erklärte die Antragstellerin im Jahr 1998 Umsatzsteuern auf innergemeinschaftliche Erwerbe für die Jahre 1994 bis 1996 in Höhe von ca. 192.000,00 DM nach. Ab Mai 1998 strebte die Antragstellerin einen außergerichtlichen Vergleich mit einer durchschnittlichen Befriedigung aller Gläubiger in Höhe von 35 % an. Dies lehnte der Antragsgegner ebenso wie mehrfach beantragte Vollstreckungsaufschübe ab. In den Akten des Antragsgegners befinden sich Mitteilungen der Post vom April bzw. Mai 1998 über die Änderung der Anschrift der Antragstellerin nach N… Ausweislich der Vermerke des Vollziehungsbeamten vom 05.08.1998 und 24.08.1998 fand dieser unter der Geschäftsadresse der Antragstellerin in L… keine Geschäftsräume vor. Es war lediglich ein Briefkasten vorhanden. Im Rahmen einer Vorsprache des steuerlichen Beraters am 22.09.1998 beim Finanzamt hat dieser vorgetragen, der Geschäftssitz befände sich dennoch in L…, die Betriebsstätte mit Büro und ladungsfähiger Anschrift sei jedoch in N…. Die Rückstände gegenüber dem Finanzamt betrugen zu diesem Zeitpunkt ca. 210.000,00 DM. Der Antragsgegner hat sowohl Kontenpfändungen als auch Forderungspfändungen wegen der Kaufpreisraten im Wesentlichen ergebnislos vorgenommen. Am 05.11. 1998 beantragte der Antragsgegner beim Amtsgericht O… die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin. Darin hat das Finanzamt unter anderem dargelegt, dass die GmbH nach den Feststellungen des Vollziehungsbeamten in L…, M…-straße 22, nur eine Briefkastenadresse unterhalte. Büro und Geschäftsräume, die auf Geschäftstätigkeit von dort schließen ließen, seien nicht ermittelt worden. Das Amtsgericht O… wies mit Schreiben vom 09.11.1998 darauf hin, dass sich das Zentrum der geschäftlichen Tätigkeit der Antragstellerin nicht unter der Adresse in L… befinden könne. Daraufhin teilte der Antragsgegner dem Gericht mit, die Antragstellerin unterhalte neben der Geschäftsadresse in L… in N… ein Baubüro. Am 09.02. 1999 beantragte der Antragsgegner die Verweisung des Antrages auf Gesamtvollstreckung an das zuständige Amtsgericht P….
Die Antragstellerin beantragte am 16.02.1999 die Rücknahme des Antrages auf Gesamtvollstreckung beim Finanzministerium des Landes Brandenburg. Dieses gab den Antrag an den Antragsgegner weiter. Mit Schreiben vom 25.02.1999 bzw. 09.03.1999 beantragte die Antragstellerin erneut den teilweisen Erlass der Steuerschulden. Das Amtsgericht P… ordnete mit Beschluss vom 12.03.1999 die Sequestration über das Vermögen der Antragstellerin an. Der Antragsgegner lehnte den Antrag auf Teilerlass am 17.03.1999 ab und erläuterte in den Gründen, dass deshalb auch dem Antrag auf Rücknahme des Gesamtvollstreckungsantrages nicht entsprochen werden könne. Die Verbindlichkeiten der Antragstellerin belaufen sich nach dem Vorbringen des Geschäftsführers im Schreiben vom 08. 04.1999 auf ca. 970.000,00 DM. Am 16.03.1999 hat die AOK des Landes Brandenburg die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin beim Amtsgericht P… beantragt.
Die Antragstellerin macht im Wesentlichen geltend, alles getan zu haben, um die Zahlungsunfähigkeit im Wege eines außergerichtlichen Vergleichs zu beseitigen. Zahlungsunfähigkeit läge im allgemeinen nur dann vor, wenn der Gemeinschuldner voraussichtlich dauernd nicht in der Lage sei, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Insoweit hafte der in das Ermessen des Finanzamts gestellten Vollstreckungsmaßnahme ein Ermessensfehler an, weil der Antrag ohne entsprechenden Grund gestellt worden sei. Der Anordnungsgrund ergäbe sich aus der Natur der Sache, denn wegen der weitreichenden Wirkungen eines erfolgreichen Antrages oder seiner Ablehnung mangels Masse und des damit einhergehenden Verlustes der Refinanzierungsmöglichkeiten liege die Dringlichkeit der Entscheidung auf der Hand. Es befänden sich ca. 2.000.000,00 DM auf Notaranderkonten.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Aufhebung des Antrages auf Gesamtvollstreckung zu verpflichten.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Antragstellerin habe nicht darlegen können, dass dem Antrag auf Gesamtvollstreckung ein Ermessensfehler anhafte. Die zugrundeliegenden Steuerfestsetzungen seien vollstreckbar und umfangreiche Einzelvollstreckungsmaßnahmen erfolglos geblieben. Es sei nicht erkennbar, dass Aussichten für eine vollständige Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestünden und mit einer kurzfristigen Tilgung der Steuerschulden zu rechnen sei....