Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 1990

 

Tenor

Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 1990 vom 01.12.1994 wird in Höhe von 245.821,00 DM bis zum Ablauf eines Monats nach Ergehen einer die Instanz abschließenden Entscheidung in dem Verfahren 1 K 1099/95 U ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 24.582,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragstellerin ist im Baugewerbe tätig. Im ersten Halbjahr 1990 schloß sie mit mehreren Auftraggebern, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren, Verträge über auszuführende Bauleistungen ab. Regelungen hinsichtlich der Umsatzsteuer enthielten diese Verträge nicht. Fertiggestellt wurden die Bauleistungen nach dem 01.07.1990. Die Antragstellerin behandelte die insoweit getätigten Umsätze sowohl in den Umsatzsteuervoranmeldungen als auch in der Umsatzsteuerjahreserklärung als nicht umsatzsteuerbar.

Der Antragsgegner stellte den vorgeschilderten Sachverhalt anläßlich einer für das Jahr 1990 bei der Antragstellerin durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung fest. Er vertrat die Auffassung, daß eine Umsatzerhöhung in Höhe von 1.755.864,00 DM vorzunehmen sei, da die im zweiten Halbjahr 1990 ausgeführten Bauleistungen auch dann der Umsatzbesteuerung unterfielen, wenn sie auf im ersten Halbjahr 1990 abgeschlossenen Verträgen beruhten. Die vor dem 01.07.1990 erbrachten Bauleistungen bezog der Antragsgegner nach § 163 AbgabenordnungAO – nicht in die Umsatzbesteuerung ein.

Im Juni 1993 beantragte die Antragstellerin hinsichtlich der vorgenommenen Umsatzerhöhung eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abs. 1 AO dergestalt, daß die darauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 245.820,96 DM nicht erhoben werde. Sie führte aus, daß sich die Auftraggeber weigerten, für Leistungen nach dem 30.06.1990, die aufgrund von Verträgen aus dem ersten Halbjahr 1990 ausgeführt worden seien, Umsatzsteuer zu entrichten. Der Gesetzgeber des Umsatzsteuergesetzes 1990 der DDR habe offensichtlich das Problem der Umsatzversteuerung für diese Fälle übersehen. Hätte er dieses Problem erkannt, so hätte er eine Regelung hinsichtlich langfristig abgeschlossener Verträge geschaffen, wie dies § 29 UStG der Bundesrepublik Deutschland vorsehe. Im Hinblick auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung müsse durch die Verwaltung eine entsprechende Regelung getroffen werden, die insoweit auf § 163 AO beruhe.

Mit Schreiben vom 07.11.1994 lehnte der Antragsgegner eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen ab. Er verwies auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.03.1994 (Aktenzeichen: VII ZR 15/92), wo ausgeführt werde, daß es eine planmäßige, vom Gesetzgeber gewollte Lücke sei, daß das Umsatzsteuergesetz der DDR vom 22.06.1990 eine dem § 29 Abs. 1 Satz 1 UStG der Bundesrepublik Deutschland entsprechende Vorschrift zur Umstellung längerfristiger Verträge nicht enthalte. Aus diesem Grunde seien keine Gründe ersichtlich, die eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen rechtfertigen würden.

Gegen die Ablehnung des Antrags legte die Antragstellerin Beschwerde ein. Sie führte aus, daß der Bundesgerichtshof in dem genannten Urteil einen zivilrechtlichen Anspruch auf Ausgleich der umsatzsteuerlichen Mehrbelastung seitens des Auftraggebers an den Auftragnehmer abgelehnt habe. Umsomehr hätte der Antragsgegner prüfen müssen, ob nicht gerade aus diesem Grunde ein Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 AO in Frage komme.

Es sei unerheblich, warum der Gesetzgeber der DDR keine dem § 29 UStG der Bundesrepublik Deutschland entsprechende Vorschrift geschaffen habe. Tatsache sei, daß sie, die Antragstellerin, Umsatzsteuer zu zahlen habe, die sie nicht von ihren Auftraggebern erhalten habe und aufgrund des Urteils des Bundesgerichtshofes auch nie erhalten werde. Da es sich bei der Umsatzsteuer um eine allgemein abwälzbare Steuer handele, komme ein Erlaß aus diesen Gründen in Betracht.

Durch Bescheid vom 01.12.1994 setzte der Antragsgegner die Umsatzsteuer 1990 auf 1.609.192,00 DM fest. Damit berücksichtigte er die Ergebnisse der Umsatzsteuersonderprüfung. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte gleichzeitig, den angefochtenen Bescheid in Höhe von 245.821,00 DM von der Vollziehung auszusetzen, da erhebliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestünden. Zur Begründung verwies die Antragstellerin auf die von ihr eingelegte Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO. Über den Einspruch ist bislang noch nicht entschieden.

Am 18.07.1995 wies die Oberfinanzdirektion A… die Beschwerde der Antragstellerin als unbegründet zurück. Sie führte aus, daß die Bauleistungen steuerbar und steuerpflichtig seien. Die bis zum 30.06.1990 erbrachten Bauleistungen seien nicht als Teilleistungen im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 und 3 UStG der DDR anzusehen, da die Leistung wirtschaftlic...

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