Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbehelfsfrist bei Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das GmbH-Vermögen. Herstellung der Ausschüttungsbelastung auch bei Nichtigkeit des Gewinnverteilungsbeschlusses. Einlagecharakter von Ausschüttungs-Rückforderungsansprüchen jeglicher Art der Kapitalgesellschaft. Körperschaftsteuer 1994
Leitsatz (amtlich)
1. Die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen einer GmbH während der laufenden Rechtsbehelfsfrist gegen einen Körperschaftsteuerbescheid führt zur Unterbrechung der Frist nach § 240 ZPO analog; wird die Steuerforderung vom Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren im Prüfungstermin i. S. von § 11 Abs. 2 GesO bestritten, wird die Rechtsbehelfsfrist erst durch die Aufnahme des Steuerrechtsstreits (§ 240 ZPO i.V.m.§ 146 Abs. 3 KO analog) durch die Behörde wieder in Gang gesetzt und beginnt neu zu laufen, ohne dass es hierzu des Erlasses eines Feststellungsbescheides nach § 251 Abs. 3 AO 1977 bedarf.
2. Wird der Jahresabschluss der GmbH nachträglich gerichtlich für nichtig erklärt (wegen des Fehlens einer erheblichen Rückstellung), so ist auch der Gewinnverteilungsbeschluss für das betreffende Jahr nichtig.
3. Die im körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren vorgesehene Ausschüttungsbelastung ist auch bei nichtigen Gewinnverteilungsbeschlüssen unabhängig von möglichen zivilrechtlichen Rückforderungsansprüchen der Gesellschaft gegen die Gesellschafter vorzunehmen, mit der Folge, dass eine daraus resultierende Körperschaftsteuererhöhung rechtmäßig ist.
4. Ein Anspruch auf Rückgewähr von (offenen oder verdeckten) Gewinnausschüttungen hat steuerrechtlich sowohl auf der Ebene der Kapitalgesellschaft als auch auf der Ebene der Gesellschafter den Charakter einer Einlageforderung (Anschluss an die ständige Rechtsprechung), unabhängig davon, ob der Anspruch erst nachträglich (aufgrund einer Änderung oder Aufhebung des Gewinnverteilungsbeschlusses) oder bereits bei der Auszahlung (z. B. wegen Verletzung der §§ 30, 31 GmbHG) oder infolge einer Satzungsklausel entsteht. Er schließt die Annahme einer „anderen Ausschüttung” i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG aus.
Normenkette
AO 1977 § 355 Abs. 1; ZPO § 240; GesO § 11 Abs. 2; KO § 146 Abs. 3; AO 1977 § 251 Abs. 3; KStG 1991 § 27 Abs. 1, 3 S. 2, § 28 Abs. 2 S. 2; AktG § 256 Abs. 1 Nr. 1; GmbHG §§ 30-31; BGB § 812 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 1 S. 1; KStG § 8 Abs. 1; KStG 1991 § 30 Abs. 2 Nr. 4; KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Verwalterin im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der X. Handelsgesellschaft mbH (im Folgenden: GmbH). Die GmbH wurde am 11. Mai 1990 gegründet. Gegenstand ihres Unternehmens war die Lieferung von Computern und anderem Bürobedarf.
Am 15. Dezember 1994 beschlossen die Gesellschafter der GmbH, einen Gewinn für das Jahr 1994 vorab in Höhe von DM 1.300.000,– (abzüglich Kapitalertragsteuer in Höhe von DM 325.000,–) an die Gesellschafter auszuschütten. Weitere Gewinnausschüttungsbeschlüsse für das Wirtschaftsjahr 1994 fassten die Gesellschafter am 21. November 1995 über DM 25.000,– sowie am 04. Dezember 1995 über DM 620.000,–. Für den Veranlagungszeitraum 1994 erklärte die GmbH einen Gewinn in Höhe von DM 2.383.112,–. Der Beklagte folgte zunächst der Erklärung und erließ am 16. Januar 1996 einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid. Am 02. April 1996 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid und setzte die Körperschaftsteuer auf DM 1.193.991,– fest. Schließlich erließ der Beklagte auf Grund einer Außenprüfung am 26. März 1997 einen Änderungsbescheid über Körperschaftsteuer, in dem er die Körperschaftsteuer für 1994 auf DM 1.231.475,– festsetzte.
Noch vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist wurde am 21. April 1997 das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet und die Klägerin zur Verwalterin im Gesamtvollstreckungsverfahren bestellt.
Nachdem die Klägerin in einem Termin zur Prüfung der angemeldeten Abgabenansprüche am 18. August 1997 der Forderung wegen Körperschaftsteuer für 1994 widersprochen hatte, erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 04. Dezember 1997 die Aufnahme des Steuerrechtsstreits hinsichtlich der streitigen Körperschaftsteuer 1994 sowie anderer – hier nicht streitiger – Steuern und Nebenleistungen. Die Klägerin legte fristgerecht am 10. Dezember 1997 Einspruch gegen die Körperschaftsteuerfestsetzung ein und begründete diesen damit, dass sie als Gesamtvollstreckungsverwalterin gegen die GmbH Klage erhoben und die Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses für 1994 beantragt habe.
Am 13. Oktober 1999 stellte das Landgericht L. unter dem Aktenzeichen .. O ..9/98 durch Urteil die Nichtigkeit der Bilanzen der GmbH zum 31. Dezember 1994 und zum 31. Dezember 1995 sowie die Nichtigkeit der Gesellschafterbeschlüsse der GmbH vom 15. Dezember 1994 über die Vorabaussch...