rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kontenpfändung ohne vorherige Mahnung rechtswidrig. Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage. Berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts. Verfahren in Vollstreckungssachen – Fortsetzungsfeststellungsklage –

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kontenpfändungen sind i.d.R. rechtswidrig, wenn zuvor keine Mahnung oder Zahlungserinnrung an den Vollstreckungsschuldner gerichtet war. Auf eine Mahnung kann ausnahmsweise nur dann verzichtet werden, wenn der Vollstreckungserfolg ansonsten gefährdet wäre.

2. Eine sog. Fortsetzungsfeststellungsklage kann auch zulässig sein, wenn die Erledigung des angefochtenen Verwaltungsakts bereits vor Erhebung der Klage eingetreten ist.

3. Für das sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresse genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Es ist insbesondere durch eine Wiederholungsgefahr oder ein Rehabilitierungsinteresse bei Verwaltungsakten mit diskriminierendem Inhalt indiziert.

 

Normenkette

AO 1977 § 259; FGO § 100 Abs. 1 S. 4

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Pfändungs- und Überweisungsverfügungen des Beklagten vom 18.01.2000 gegen die Sparkasse L. und die Raiffeisenbank M. e. G. rechtswidrig gewesen sind.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Kontenpfändung wegen Steuerrückständen aufgrund der Lohnsteueranmeldungen für August und November 1999 und der Umsatzsteuervoranmeldungen September und Oktober 1999.

Die Klägerin verlegte ihren Sitz im August 1998 von N. nach O.. Ihren Zahlungsverpflichtungen kam sie gegenüber dem zuständig gewordenen Beklagten von Anfang an nicht pünktlich nach: Sie geriet mit Umsatzsteuerbeträgen für 06/99 (fällig 16.08.1999), 07/99 (fällig 14.09.1999), 08/99 (fällig 11.10.1999) mit Hauptschulden in Höhe von insgesamt 27.019,10 DM und für 09/99 (fällig 12.11.1999) in Höhe von 6.274,50 DM in Vollstreckungsrückstand. Der Beklagte erließ aufgrund der Rückstände am 09.12.1999 (USt 06 – 08/99) und 05.01.2000 (USt 09/99) Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegen die Sparkasse L. und die Raiffeisenbank M. und pfändete Forderungen der Klägerin aus den Geschäftsverbindungen mit den Banken. Die Pfändungen waren erfolgreich. Die gepfändeten Beträge wurden am 15.12.1999 und 12.01.2000 an die Finanzkasse überwiesen.

Am 11.01.2000 erstellte der Beklagte eine Rückstandsanzeige über weitere Umsatzsteuerbeträge für 09/99 und 10/99 und Lohnsteuerbeträge für 08 und 11/99. Die Lohnsteuerbeträge 08/99 waren am 14.12.1999 fällig, die übrigen Steuerbeträge am 15.12.1999. Die daraus resultierenden Hauptschulden betrugen insgesamt 30.047,69 DM.

Am 18.01.2000 pfändete der Beklagte – mit den streitbefangenen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen – bei der Sparkasse L. und der Raiffeisenbank M. (Drittschuldnerinnen) jeweils einen Gesamtbetrag von 30.765,69 DM bzw. 30.776,69 DM an Forderungen der Klägerin aus den Geschäftsverbindungen mit den Geldinstituten. Der Pfändungsbetrag setzt sich aus den o.g. Hauptschulden, den bis dahin entstandenen Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 509,– DM und den Vollstreckungskosten zusammen. Vor Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist keine Mahnung oder Vollstreckungsankündigung ergangen. Ausweislich der Vollstreckungsakten bestanden am 18.01.2000 – nach den Zahlungseingängen aufgrund der zuvor erfolgten Kontenpfändungen – keine weiteren Rückstände.

Die streitbefangenen Pfändungen wurden der Klägerin mitgeteilt. Am 20.01.2000 rief ein Vertreter der Klägerin beim Beklagten an und erkundigte sich nach Lösungsmöglichkeiten für die bestehenden Steuerrückstände. Mit Schriftsatz vom gleichen Tage unterbreitete die Klägerin einen Zahlungsvorschlag und beantragte die Freigabe des Bankkontos. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25.01.2000 ab.

Am 21.01.2000 erhob die Klägerin Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen.

Am 27.01.2000 erfolgte die Überweisung des Pfändungsbetrages an den Beklagten durch eine der Drittschuldnerinnen. Der Beklagte hob daraufhin am 28.01.2000 die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 18.01.2000 mit Wirkung vom 28.01.2000 auf.

Mit Einspruchsentscheidung vom 24.07.2000 wies der Beklagte den Einspruch gegen die streitbefangene Pfändungs- und Einziehungsverfügung als unzulässig zurück, weil die Pfändungsmaßnahmen sich zwischenzeitlich erledigt hätten.

Die Klägerin hat bereits am 10.03.2000 Klage erhoben.

Sie ist der Ansicht, sie habe ein besonderes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 18.01.2000. Es bestehe die Gefahr der Wiederholung von r...

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