Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswidrigkeit des Erlasses eines denselben Sachverhalt und dieselbe Steuerart betreffenden weiteren – ergänzenden– Haftungsbescheides. Haftung für Umsatzsteuer 1992
Leitsatz (amtlich)
Nimmt das FA einen OHG-Gesellschafter nach Auflösung der OHG durch einen auf § 191 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 69 AO 1977 und §§ 421, 427 BGB gestützten Haftungsbescheid für Umsatzsteuerschulden der OHG in Anspruch, stellt sich ein auf § 191 AO 1977 i.V.m. § 128 HGB gestützter weiterer Haftungsbescheid für Umsatzsteuerschulden, die im Zeitpunkt des Erlasses des ersten Haftungsbescheides noch nicht fällig waren, aber denselben Sachverhalt und Veranlagungszeitraum betreffen, als rechtswidriger ergänzender – weiterer – Haftungsbescheid dar, wenn es sich weder um einen Rücknahmebescheid des ersten Haftungsbescheids mit dem Neuerlass eines Haftungsbescheids noch um einen Rücknahme- bzw. Widerrufsbescheid i. S.v. §§ 130 Abs. 2 bzw. 131 Abs. 2 AO 1977 handeln kann, mit dem die Haftungssumme erhöht werden soll.
Normenkette
AO 1977 § 191 Abs. 1, § 130 Abs. 2, § 131 Abs. 2; HGB § 128; AO 1977 § 69; BGB §§ 421, 427
Nachgehend
Tenor
Der Haftungsbescheid vom 27. Mai 1999 und die Einspruchsentscheidung vom 09. Februar 2000 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Der Kläger war Gesellschafter der A. & B. OHG (im Folgenden: OHG), die im Jahre 1993 aufgelöst wurde. Die Auflösung der OHG wurde am 28. September 1993 in das Handelsregister eingetragen. Auf Grund der am 07. September 1994 eingereichten Umsatzsteuererklärung der OHG für das Jahr 1992 ergab sich eine Abschlusszahlung in Höhe von DM 98.599,40. Nachdem der Beklagte eine entsprechende Abrechnung erlassen hatte, schätzte er mit Änderungsbescheid vom 28. November 1994 Umsätze hinzu, so dass sich eine Nachzahlung von DM 105.009,40 ergab. Auf Grund einer Lohnsteueraußenprüfung erhöhte sich der Nachzahlungsbetrag im Umsatzsteueränderungsbescheid vom 10. Februar 1995 auf DM 105.529,40 (festgesetzte Umsatzsteuer DM 276.712,–; hiervon getilgt: DM 171.182,60). Im Februar 1995 gewährte der Beklagte nach seinem Vorbringen eine Aussetzung der Vollziehung in Höhe von DM 48.025,–, so dass sich ein sofort fälliger Restbetrag in Höhe von DM 57.504,40 ergab. Die Aussetzung der Vollziehung wurde am 17. Juli 1996 beendet; der Betrag von DM 57.504,40 wurde zum Teil in 1996 und zum Teil in 1997 fällig. Des Weiteren war die OHG mit der Zahlung von Umsatzsteuer für 1991 im Rückstand.
Nachdem die OHG die noch ausstehenden Umsatzsteuern für 1992 und 1991 nicht entrichtet hatte und Vollstreckungsversuche des Beklagten in das Vermögen der OHG erfolglos geblieben waren, nahm der Beklagte die Gesellschafter der OHG, den Kläger sowie Herrn B., durch Haftungsbescheide vom 29. Juli 1995 in Höhe von jeweils DM 63.579,60 in Anspruch. In der Haftungssumme war Umsatzsteuer 1992 in Höhe von DM 57.504,40 enthalten; der verbleibende Teil der Haftungssumme entfiel auf Umsatzsteuer für 1991, Zinsen zur Umsatzsteuer 1991 und 1992 sowie auf Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 1991 und 1992. Der Beklagte stützte die Inanspruchnahme sowohl auf §§ 421, 427 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – als auch auf § 69 Abgabenordnung 1977 – AO 1977 –. Die Inanspruchnahme des Klägers begründete der Beklagte damit, dass der Kläger als Gesellschafter der Personengesellschaft für deren Schulden hafte. Zudem ergebe sich eine Haftung nach § 69 AO 1977, da der Kläger grob fahrlässig die Pflicht zur Entrichtung der Umsatzsteuer für 1991 und 1992 verletzt habe. Die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen der OHG sei ohne Erfolg geblieben. Der gegen den Kläger ergangene Haftungsbescheid wurde bestandskräftig.
Nachdem das Klageverfahren der OHG gegen den Beklagten wegen Umsatzsteuer 1992 beendet worden war, erließ der Beklagte am 25. November 1998 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1992 (festgesetzte Umsatzsteuer DM 267.821,–; hiervon getilgt: DM 219.154,44). Die erhöhte Tilgung der Umsatzsteuer beruhte auf Zahlungen des Klägers vom 14. Juni 1996 (DM 10.400,56) und vom 25. November 1998 (DM 2.000,–), auf Zahlungen des Gesellschafters B. vom 14. Juni 1996 (DM 32.367,65) und vom 25. November 1998 (DM 3.014,84) sowie auf einer ungeklärten Bareinzahlung vom 25. November 1998 in Höhe von DM 188,80 (vgl. die Aufstellung des Beklagten vom 14. März 2002, Bl. 39 der Streitakte).
Mit Haftungsbescheid vom 27. Mai 1999 nahm der Beklagte den Kläger über einen Betrag von DM 49.202,14 in Anspruch. Die Haftungssumme setzte sich aus Umsatzsteuer 1992 der OHG in Höhe von DM 39.134,– sowie aus Zinsen und Säumniszuschlägen zur Umsatzsteuer 1992 zusammen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Kläger nach § 191 AO 1977 in Verbindung mit § 128 Handelsgesetzbuch – HGB – hafte. Die OHG habe die sich auf Grund der Umsatzsteuerjahreserklärung für 1992 ...