Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendungsbereich der Steuerbefreiung für Umsätze im Überweisungsverkehr. Grenzen des Amtsermittlungsgrundsatzes. Umsatzsteuer 1994
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Frage, ob die Steuerbefreiungsvorschriften für Umsätze im Überweisungsverkehr gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG bzw. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-Richtlinie eingreifen, entscheidet sich allein nach der Art der erbrachten Dienstleistung und nicht danach, wer Erbringer oder Empfänger der Leistung gewesen ist. Die erbrachte Leistung muss über eine rein technische Dienstleistung hinausgehen, was (hier) darin zum Ausdruck kommt, dass eigenverantwortliche Entscheidungen des Leistungserbringers zur Übertragung von Geldern und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen geführt haben.
2. Der Untersuchungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) findet seine Grenze in den Fällen, in denen ein Beteiligter unsubstantiierte Behauptungen ins Blaue hinein aufstellt, für die sich weder nach seinem Vortrag noch aus den beigezogenen Steuerakten Anhaltspunkte ergeben.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3; UStG 1993 § 4 Nr. 8 Buchst. d; FGO § 76 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Umsatzsteuer 1994 wird unter Änderung des Bescheides vom 24.06.1998 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 04.04.2001 auf 0 DM / 0 EUR festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Beschluss:
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Klägerin wurde im Jahre 1992 gegründet. Gesellschafter der Klägerin sind mehrere im Land L… ansässige Sparkassen und Kreissparkassen. Der Zweck der Klägerin besteht nach § 1 Abs. 1 ihres Gesellschaftsvertrages in der Fassung der Anlage zum Protokoll der 6. Gesellschafterversammlung vom 05.10.1993 in der „technischen Abwicklung im Zahlungsverkehr sowie weiterer Dienstleistungen” für ihre Gesellschafter und für Dritte. Wegen der Einzelheiten wird auf die in den beigezogenen Steuerakten befindlichen Kopien des Gesellschaftsvertrages vom 01.12.1992 sowie der Anlage zum Protokoll der 6. Gesellschafterversammlung vom 05.10.1993 Bezug genommen.
Konkret sah die Tätigkeit der Klägerin im Streitjahr so aus, dass die Sparkassen die bei ihnen in Papierform eingegangenen Überweisungsträger nach der Überprüfung der generellen Annahme des Auftrags per Kurier an die Klägerin übermittelten. Diese wurden dann bei der Klägerin eingescannt. Dabei nahmen die Mitarbeiter der Klägerin Kontrollen und eventuell notwendige Korrekturen der Belege vor, so zum Beispiel dann, wenn Angaben auf den Belegen fehlten, wenn die Belege maschinell nicht lesbar waren oder wenn insbesondere bei Scheckeinreichern und bei Sammelüberweisungsaufträgen die Soll- und Habenbuchungen nicht übereinstimmten. Dabei lag es in der Entscheidungsbefugnis der Klägerin, ob der Auftrag mit Korrekturen weiterbearbeitet oder ob – wenn sich der ganze Vorgang nicht klären ließ – die Belege an die Sparkasse zurück gegeben werden sollten. Darüber hinaus hatte die Klägerin Vorgaben der Sparkassen zu beachten, so zum Beispiel darüber, dass zu Lasten gewisser Konten keine Überweisungen vorgenommen werden durften. Verrechnungsschecks mit einem Wert von mehr als 5.000 DM waren auszusortieren und bei der Landeszentralbank zur Buchung auf den Konten der Sparkassen einzureichen.
Die Klägerin wandelte die eingescannten Daten anschließend in Datensätze um. Diese Datensätze schickte sie sodann per Datenleitung an die Datenverarbeitungsgesellschaft für die Sparkassenorganisation, die als Sparkassen-Rechenzentrum die Buchungen für alle Sparkassen der neuen Bundesländer, mit Ausnahme von Thüringen, vornahm. Eine Veränderung der Datensätze durch das Rechenzentrum war dabei nicht mehr möglich. Die Datensätze nahmen vielmehr aufgrund ihrer fest vorgegebenen Struktur im Rahmen eines sogenannten Clearinglaufs maschinell festgelegte Wege. Sofern die Empfängerkonten bei Sparkassen geführt wurden, die ebenfalls ihre Buchungen über das Rechenzentrum ausführen ließen, erfolgte unmittelbar eine automatische Buchung, die jedoch voraussetzte, dass die Deckung des belasteten Kontos gewährleistet war, was innerhalb des Rechenzentrums maschinell geprüft wurde. Sofern die Konten bei anderen Banken oder Sparkassen geführt wurden, wurden die Datensätze automatisch wieder zu einem Datenpaket zusammengefasst und wiederum automatisch an das nächste Rechenzentrum weitergeleitet, wo sich der vorgeschilderte Vorgang wiederholte. Fehlerhafte Vorgänge gaben die Rechenzentren an die Klägerin zur Nachbearbeitung zurück.
Entsprechend der bereits mit Schreiben vom 09.10.1995 von dem Beklagten gegenüber der Klägerin geäußerten Rechtsauffassung behandelte die Klägerin ihre Umsätze in der am 07.10.1996 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuer-Jahreserklärung 1994 zunächst als umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig. Der Beklagte folgte dem und setzte die Umsatzsteuer 1994 entsprechend der ...