Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von freiwilligen Krankenversicherungsbeiträgen eines Beamtenanwärters sowie des Entlassungsgelds bei der Ermittlung des kindergeldrechtlichen Grenzbetrags

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Ermittlung der kindergeldrechtlichen „Einkünfte und Bezüge” nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind die von einem in Ausbildung befindlichen Beamtenanwärter gezahlten freiwilligen Beiträge zur privaten Krankenversicherung ebenso abzuziehen wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge bei einem kindergeldrechtlich berücksichtigungsfähigen Kind, das sozialversicherungspflichtige Einkünfte erzielt.

2. Das Entlassungsgeld entfällt zwar wirtschaftlich auf die Zeit nach Beendigung des gesetzlichen Wehrdienst. Wurde der Grundwehrdienst aber zum 31. Dezember beendet und das Entlassungsgeld bereits im Dezember ausgezahlt, so kann es bei der Ermittlung der kindergeldrechtlichen Einkünfte und Bezüge des Sohnes im Folgejahr aufgrund des insoweit geltenden Zuflussprinzips nicht berücksichtigt werden.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 2; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 63 Abs. 1 S. 1, § 11 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Der Bescheid vom 5. Juni 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2005 wird aufgehoben und Kindergeld für das Kind A… für das Jahr 1999 gewährt. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen. Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Mutter ihres im Juli 1973 geborenen Sohnes A… (dem Bevollmächtigten), der bis zum 31. Dezember 1998 seinen Grundwehrdienst absolvierte. In der Zeit von Januar bis April 1999 war er ausbildungsplatzsuchend und ab Mai 1999 Rechtsreferendar.

Im Dezember 1998 erhielt A… das Entlassungsgeld in Höhe von DM 1.500 ausgezahlt, im Jahr 1999 bekam er Arbeitslosengeld in Höhe von DM 4.500 und erzielte als Referendar Bruttoeinnahmen in Höhe von DM 13.837. An Einkommensteuer wurde im Streitjahr einbehalten DM 374, Einkommensteuererstattungen aus Vorjahren wurden nicht gewährt.

Der Sohn A… machte Werbungskosten in Höhe von DM 4.207,30 geltend, an freiwilligen Krankenversicherungsbeiträgen leistete er DM 1.148.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 5. Juni 2001 die Festsetzung des Kindergeldes für A… für das Jahr 1999 ab, da nach ihrer Berechnung die Einkünfte und Bezüge den Grenzbetrag von DM 13.020 überschritten. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb erfolglos.

Die Klägerin hat fristgerecht Klage erhoben. Sie trägt vor, das Entlassungsgeld sei nicht dem Jahr 1999 zuzurechnen. Es sei im Jahr 1998 gezahlt worden und im Jahr des Zuflusses zu berücksichtigen. Die freiwilligen Krankenversicherungsbeiträge würden ebenso wie die gesetzlichen die Einkünfte und Bezüge mindern.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 5. Juni 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2005 aufzuheben und Kindergeld für das Kind A… für das Jahr 1999 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung –FGO– mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung. Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Beklagte hat die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn A… der Klägerin für das Jahr 1999 zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin ist dadurch in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Der Sohn A… ist für das Jahr 1999 gemäß § 62 Abs. 1; § 63 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstaben a und c, Satz 2 Einkommensteuergesetz –EStG– für das Kindergeld zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift ist ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat – wie der Sohn A… der Klägerin – für das Kindergeld zu berücksichtigen, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird und seine eigenen Einkünfte und Bezüge den Betrag von DM 13.020 im Kalenderjahr nicht übersteigen. Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, bleiben hierbei außer Ansatz; entsprechendes gilt für Einkünfte, soweit sie für solche Zwecke verwendet werden. Entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG Beschluss vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2005, 911) ist der Relativsatz „die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind” nicht nur auf die Bezüge, sondern auch auf die Einkünfte des Kindes zu beziehen. Dies bedeutet, dass die Einkünfte um diejenigen Beträge, die, wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge, von Gesetzes wegen dem einkünfteerzielenden Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar sind und deshalb keine Entlastung bei den Eltern bewirken können, sondern anderen Zwecken als der Bestreitung von Unterhalt zu dienen bestimmt sind, nicht i...

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