Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit der Abgangszollstelle für die Erhebung der Eingangsabgaben bei Nichtgestellung der zum gemeinschaftlichen Versandverfahren abgefertigten Waren; 11-Monats-Frist für die Mitteilung an den Hauptverpflichteten über Nichtwiedergestellung der Sendung keine Ausschlussfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird eine im gemeinschaftlichen Versandverfahren beförderte Ware bei keiner Bestimmungsstelle wiedergestellt und kann der Ort der Zuwiderhandlung nicht festgestellt werden, gilt die Zuwiderhandlung grundsätzlich in dem Mitgliedsstaat der Abgangsstelle als begangen.

2. Die in Art. 379 ZK-DVO genannte Frist von 11 Monaten für die Mitteilung, dass die Sendung der Bestimmungsstelle nicht gestellt worden ist und der Ort der Zuwiderhandlung nicht ermittelt werden kann, ist keine Ausschlussfrist. Die zuständige Abgangsstelle kann dem Hauptverpflichteten diese Mitteilung auch noch nach Ablauf der 11 Monate wirksam zukommen lassen.

 

Normenkette

EWGV 1214/92 Art. 49; ZKDV Art. 379 Abs. 1-2; EWGV 2726/90 Art. 34; ZK Art. 17

 

Gründe

Die Beteiligten streiten über 2 Versandverfahren, die nach Darstellung des Beklagten nicht ordnungsgemäß beendet wurden.

Am 18.08.1993 bzw. 12.08.1993 fertigte der Beklagte jeweils 900 Kartons Butter zum gemeinschaftlichen Versandverfahren T 1 ab. Bestimmungszollstelle war L. …/Spanien. Eine Gestellung der Ware innerhalb der festgesetzten Frist erfolgte nicht. Die daraufhin an die Bestimmungszollstelle abgesandten Suchanzeigen wurden dahingehend beantwortet, dass die Sendungen bei der Bestimmungszollstelle nicht gestellt und die dazugehörigen Versandscheine nicht vorgelegt worden seien; über den Verbleib der Ware habe nichts in Erfahrung gebracht werden können. Mit Schreiben vom 26.09.1994 forderte der Beklagte die Klägerin auf, die ordnungsgemäße Erledigung der Versandverfahren oder den tatsächlichen Ort der Zuwiderhandlung innerhalb von 3 Monaten nachzuweisen. Mit Schreiben vom 15.02.1995 teilte die Klägerin daraufhin mit, dass die betreffenden Sendungen jeweils dem Zollamt L. gestellt worden seien und fügte jeweils eine Kopie des Exemplars 4 des Einheitspapiers bei. Daraufhin wurde nochmals eine Suchanzeige an die Bestimmungszollstelle gesandt, die mit Rückantwort vom 03.04.1995 ergab, dass der auf Blatt 4 des Versandscheins angebrachte Dienststempelabdruck gefälscht oder verfälscht zu seien scheint (Heft 1 Blatt 11 der beigezogenen Beklagtenakte). Mit Steuerbescheid jeweils vom 07.02.1995 setzte der Beklagte die zu leistenden Einfuhrabgaben fest. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass der Beklagte die notwendigen Verfahrensförmlichkeiten nicht eingehalten habe. Der Beklagte sei für die Erhebung der Eingangsabgaben örtlich nicht zuständig.

Insbesondere habe der Beklagte die 11-Monatsfrist aus Artikel 49 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1214/92 nicht beachtet. Das beklagte Hauptzollamt habe bei keinem der beiden Versandscheine spätestens bis zum Ablauf des 11. Monats nach Registrierung eine Aufforderung im Sinne von Artikel 49, Artikel 50 der im Jahre 1993 gültigen Durchführungsverordnung Versandverfahren zugeleitet. In der Rechtssache C-233/98 habe der EUGH im Urteil vom 21.10.1999 festgestellt, dass das Procedere, welches in der Verordnung niedergelegt sei, einzuhalten sei. Die Rechtsprechung einiger Instanzgerichte, dass unbeschadet der Rechtswidrigkeit eine Abgabenerhebung durch eine deutsche Zollstelle gegen den Hauptverpflichteten nur dann aufgehoben werden könne, wenn zuvor das Verfahren des Artikels 34 Abs. 3 3. Unterabsatz der damaligen Versandverordnung durchlaufen worden sei, sei durch das zitierte Urteil des EUGH als überholt anzusehen.

Die 11-Monatsfrist sei eine zwingende Frist. Dies bedeute insbesondere nicht, dass damit eine verkürzte Verjährung eintrete. Denn die Möglichkeit der Zollverwaltung, gegen denjenigen vorzugehen, der eine Nichterledigung eines Versandscheines bewirkt habe, werde nicht eingeschränkt. Ihm gegenüber könne die für die Nacherhebung zuständige Zollbehörde weiter im Rahmen der regulären Verjährung auch noch nach Ablauf der 11 Monate tätig werden. Die Nutzung des Prozedere aus Artikel 49 der damaligen Durchführungsverordnung könne nach Ablauf der 11-Monatsfrist die Abgangszollstelle lediglich nicht mehr zuständig machen. Ein solcher Ausschluss einer Fiktionsmöglichkeit sei nach Ablauf der 11 Monate auch sachgerecht. Im Versandrecht mache dies deshalb Sinn, weil kurzfristig nach Eröffnung eines Versandscheins noch reagiert werden könne, auch wenn die Umstände über eine Nichterledigung noch nicht voll aufgeklärt seien. Die Erwartung, dass die Abgangsstelle schnell reagiere, korrespondiere mit der Regelung, dass die Abgangsstelle innerhalb von 12 Monaten den Bürgen des Versandverfahrens informiere. Geschehe dies nicht innerhalb von 12 Monaten, dann könne die Abgangsstelle vom Bürgen keinen Anspruch mehr erheben. Im Übrigen habe der EUGH in seinem Urteil vom 23.03.2000 C – 31...

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