Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuflussprinzip im Rahmen der Ermittlung der eigenen Einkünfte und Bezüge eines Kindes
Leitsatz (redaktionell)
Die Bezüge eines Kindes i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG zu ermitteln. Entgegen der Verwaltungsauffassung (DA 63.4.2.3 Abs. 2 Nr. 12, BStBl I 1998, 389) gilt dies auch für das Entlassungsgeld nach dem Zivildienst.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 11
Nachgehend
Gründe
Die Klägerin hat einen am 12. Oktober 1977 geborenen Sohn A.... Dieser leistete bis Ende Juli 1998 seinen Zivildienst; ab August 1998 bemühte er sich um einen Studienplatz.
Nach einer Mitteilung des Arbeitsamtes erhielt der Sohn der Klägerin ab August 1998 Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 3.874,00. Außerdem stand ihm ein Entlassungsgeld nach dem Zivildienstgesetz in Höhe von DM 1.500,00 zu. Auf dem Bescheid vom 16. Juni 1998 ist zur Zahlungsweise vermerkt:
„Ist die Barauszahlung des Entlassungsgeldes am Entlassungstag (Zahltag/Fälligkeitstag) nicht möglich, ist das Entlassungsgeld durch die Beschäftigungsstelle so rechtzeitig auf ein von dem Dienstleistenden zu bestimmendes Konto zu überweisen, dass es am festgesetzten Entlassungstag beim Kreditinstitut oder Postgiroamt zur Verfügung steht.”
Der Beklagte lehnte mit dem hier angefochtenen Bescheid die Festsetzung von Kindergeld für den Sohn der Klägerin ab August 1998 ab, weil dieser über eigene Bezüge verfüge, die die Einkommensgrenze des ¾ 32 Abs. § 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz – EStG – überschritten. Diese beträgt für den Zeitraum von August bis Dezember 1998 DM 5.150,00 (5/12 von DM 12.360,00). Der Beklagte berechnet die Bezüge des Sohnes der Klägerin wie folgt:
Arbeitslosenhilfe |
3.874,00 |
Entlassungsgeld |
1.500,00 |
./. anteilige Kostenpauschale (5/12 von DM 360,00) |
150,00 |
|
5.224,00 |
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 05. Oktober 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 1999 aufzuheben und ihr ab August 1998 Kindergeld für ihren Sohn A... zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist insbesondere der Auffassung, dass das Entlassungsgeld entsprechend DA 63.4.2.3 Abs. 2 Nr. 12 (BStBl. I 1998, 389, 429) in vollem Umfang dem der Entlassung folgenden Kalendermonat, also dem August 1998, zuzurechnen ist.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Kindergeld für ihren Sohn A... ab August 1998.
Ein Kind, das sich in der Ausbildung befindet oder eine Ausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann, wird gemäß §§ 63 Abs. 1, 32 Abs. 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung für das Kindergeld berücksichtigt, wenn es eigene Einkünfte oder Bezüge von nicht mehr als DM 12.360,00 im Jahr hat. Der Betrag ermäßigt sich für jeden Monat, in dem die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Kindes nicht vorliegen, um ein Zwölftel. Einkünfte und Bezüge des Kindes, die in diese Kalendermonate fallen, bleiben bei der Berechnung entsprechend außer Betracht.
Der Sohn der Klägerin bemühte sich seit der Beendigung seines Zivildienstes um einen Studienplatz. Er war damit ab August 1998 für das Kindergeld berücksichtigungsfähig, weil er eine Ausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht fortsetzen konnte. Seine eigenen Einkünfte und Bezüge in der Zeit von August bis Dezember 1998 durften daher den Betrag von DM 5.150,00 (5/12 von DM 12.360,00) nicht überschreiten.
Die eigenen Einkünfte und Bezüge des Sohnes der Klägerin lagen unter diesem Grenzbetrag. Der Sohn der Klägerin verfügte lediglich über die Leistungen der Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 3.874,00.
Das Entlassungsgeld ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht dem Monat August, sondern dem Monat Juni oder Juli 1998 zuzurechnen. § 32 Abs. 4 EStG spricht von eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes, ohne vorzugeben, wie diese zu ermitteln sind. Nach der Gesetzesbegründung soll jedoch durch die Fassung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG klargestellt werden, dass das Zuflussprinzip des § 11 EStG gilt (BT-Drucks. 13/3084, S. 69). Folglich sind die Bezüge eines Kindes nach dem Zuflussprinzip zu ermitteln, d. h. sie sind in dem Monat zu erfassen, in dem sie dem Kind zugeflossen sind. Das war im Fall des Entlassungsgeldes der Juni oder Juli 1998. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum hinsichtlich des Entlassungsgeldes von dem Zuflussprinzip abgewichen werden könnte. Die Verwaltungsanweisung, auf die der Beklagte sich insoweit beruft, steht daher mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Danach kommt es nicht darauf an, ob die Kostenpauschale von DM 360,00 voll in Ansatz zu bringen ist (so i.E. Leichtle, DB 1997, 1149, 1151) oder, wie der Beklagte es getan hat, nur anteilig zu gewähren ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 509839 |
EFG 2000, 876 (Auszug) |