Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung eines auf Steuerhinterziehung gestützten Haftungsbescheids gegen den GmbH-Geschäftsführer. Haftung für Steuern
Leitsatz (redaktionell)
Ist das strafrechtliche Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen und will das FA gegen den für die Steuerhinterziehung Verantwortlichen (hier: Geschäftsführer der GmbH) einen auf § 71 AO gestützten Haftungsbescheid erlassen, muss es darin die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 370 Abs. 1 AO darlegen. Will es sich im Haftungsverfahren die Feststellungen im Steuerstrafverfahren zu eigen machen, muss es die Strafakten geprüft und die dortigen Feststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht übernommen haben. Eine bloße Wiederholung des Gesetzestextes, ohne Unterlegung mit Tatsachen, genügt dazu nicht.
Normenkette
AO §§ 71, 370 Abs. 1 Nr. 1, § 191 Abs. 1, 3 Sätze 1-2, Abs. 5; FGO § 69 Abs. 2-3
Tenor
Die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 24. Oktober 2002 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 20. Mai 2003 wird ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Haftung des Klägers für Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und steuerliche Nebenleistungen.
Der Kläger war von der Gründung im Jahre 1990 an bis zum 15. Juli 1998 Geschäftsführer der … GmbH, vormals … GmbH. Am 15. Juli 1998 wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen, weit der Beschluss gefasst wurde, die GmbH zu liquidieren. Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnisse sind unstreitig durch entsprechende Bescheide festgesetzt worden. Wegen der Ansprüche im Einzelnen wird auf die Anlage 1 zum Einspruchsbescheid vom 20. Mai 2003 Bezug genommen.
Am 01. Oktober 1999 erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger eine Haftungsanfrage. Mit dieser bat der Beklagte den Kläger um Beantwortung der Fragen, wie hoch die Verbindlichkeiten der GmbH zu Beginn des Haftungszeitraums am 02. Juni 1998 waren, um welchen Betrag sich die Verbindlichkeiten bis zum Ende des Haftungszeitraums erhöht haben, in welcher Höhe die Gesellschaft mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis rückständig war und um welchen Betrag sich die rückständigen Steuern und rückständigen steuerlichen Nebenleistungen bis zum Ende des Haftungszeitraumes am 15. Juli 1998 erhöht haben. Gegen diese Antrage erhob der Liquidator der GmbH … namens des Klägers Einspruch, welchen der Beklagte als unbegründet zurückwies. Die Antrage blieb unbeantwortet. Daraufhin erließ der Beklagte unter dem 24. Oktober 2002 einen Haftungsbescheid über 132.954,48 EUR. Der Einspruch des Klägers führte dazu, dass die Haftungssumme mit Einspruchsbescheid vom 20. Mai 2003 auf 132.757,46 EUR reduziert und der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Am 23. Januar 1998 war dem Kläger die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts der Umsatz-, Gewerbesteuer- und Körperschaftsteuerhinterziehung für die Jahre 1991 bis 1995 eröffnet worden.
Der Beklagte hat den Kläger sowohl unter dem Gesichtspunkt grob fahrlässiger Verletzung der ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten als auch unter dem Gesichtspunkt der Steuerhinterziehung nach §§ 69, 71 der Abgabenordnung (AO) in Haftung genommen. Das Strafverfahren gegen den Kläger sei zwar noch nicht abgeschlossen. Jedoch sei für den Erlass eines Haftungsbescheides auf der Grundlage des § 71 AO eine strafrechtliche Verurteilung wegen Steuerhinterziehung nicht erforderlich. Vielmehr habe die für den Erlass des Haftungsbescheides zuständige Behörde selbst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftungsbescheides vorlägen. Die Steuerfahndungsstelle des Beklagten habe festgestellt, dass eine vollendete Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vorliege, da der Kläger unrichtige Erklärungen abgegeben habe und das Finanzamt diesen Angaben gefolgt sei. Die Unrichtigkeit sei erst im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt worden. Da der Kläger alleiniger Geschäftsführer der GmbH gewesen sei, komme auch nur er als Verantwortlicher für die Steuerhinterziehung in Betracht.
Der Beklagte hat weder Steuerfahndungsakten noch Betriebsprüfungs-Arbeitsakten vorgelegt.
Der Kläger hat am 10. Juni 2003 Klage erhoben (Az.: 1 K 961/03), über welche der Senat noch nicht entschieden hat.
Am 02. Juni 2003 hatte die Vollstreckungsstelle des Beklagten den Kläger angeschrieben, spätestens am 16. Juni 2003 wegen der Abgabenrückstände unter Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse einen Tilgungsvorschlag zu unterbreiten. Ansonsten müsse danach mit Beitreibungsmaßnahmen gerechnet werden.
Am 18. Juni 2003 hat der Kläger sich wegen der Aussetzung der Vollziehung an das Gericht gewandt. Am 23. Juni 2003 hat der Beklagte die Vollziehung des Haftungsbescheides in Höhe von Säumniszuschlägen über 46.406,05 EUR ausgesetzt.
Der Antragsteller macht mit der Antragsschrift geltend, es sei ernstlich zweifelhaft, ob der Antragsteller überhaupt dem Grunde als auch der Höhe nach haften müss...