rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
An einen Unternehmer von Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von berechtigten wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleistete Zahlungen kein nicht steuerbarer Schadensersatz sondern umsatzsteuerbares Entgelt. keine Änderung der Rechtsprechung im Sinne des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO durch BFH, Urteil v. 21.12.2016, XI R 27/14
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass Zahlungen, die an einen Unternehmer von dessen Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von berechtigten wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und den von ihm abgemahnten Wettbewerbern – und nicht als nicht steuerbare Schadensersatzzahlungen – zu qualifizieren sind (Anschluss an BFH, Urteil v. 21.12.2016, XI R 27/14).
2. Hat die Unternehmerin vor Veröffentlichung des BFH-Urteils (BFH, Urteil v. 21.12.2016, XI R 27/14) die von Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von berechtigten wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleisteten Zahlungen als nicht steuerbar behandelt, so ist das Finanzamt nicht nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO unter Vertrauensschutzgesichtspunkten an einer – ansonsten nach (z.B. § 164 Abs. 2 oder § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) verfahrensrechtlich zulässigen – Änderung der Umsatzsteuerbescheide gehindert; das gilt auch für Steuerjahre, die zeitlich vor der Veröffentlichung des BFH-Urteils liegen. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das oben genannte BFH-Urteil die Rechtsprechung nicht im Sinne des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO geändert hat und dass es sich insoweit allenfalls um eine klarstellende Rechtsprechung handelt.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 S. 2; AO § 176 Abs. 1 Nr. 3; UWG § 12 Abs. 1 S. 2; MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, c
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten sich darüber, ob in den Streitjahren Aufwendungsersatzansprüche der Antragstellerin gegenüber ihren Wettbewerbern gem. § 12 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG), in Form des Ersatzes von der Antragstellerin entstandenen Rechtsanwaltsgebühren für Abmahnungen, als steuerbare Leistung oder als nichtsteuerbarer Zahlungsersatz zu behandeln sind.
Die Antragstellerin wurde im Jahr 2004 gegründet. Ihr Unternehmensgegenstand war in den Streitjahren ausweislich der Eintragung im Handelsregister B des Amtsgerichts Z der erlaubnisfreie Handel mit Waren aller Art. Diese Waren vertrieb sie im Internet über einen online-shop im Rahmen der Verkaufsplattform B.
Sie berechnete die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten.
In den Streitjahren beauftragte die Antragstellerin die Anwaltskanzlei C aus Y mit verschiedenen wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen gegenüber Konkurrenzunternehmen, die ebenfalls im Internet Waren anboten. Die Abmahnungen bezogen sich dabei in der Regel darauf, dass die Konkurrenten bei der Darstellung ihrer Angebote die Vorgaben der Fernabsatzvorschriften nicht einhielten, etwa dadurch, dass Angaben zur Art einer angepriesenen Garantie fehlten, Versandkosten nicht ersichtlich waren oder Belehrungen über gesetzliche Widerrufsmöglichkeiten nicht zutreffend formuliert waren. Die Klägerin forderte hierzu von den abgemahnten Unternehmen jeweils die Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie Ersatz der entstandenen (Netto-) Anwaltskosten als Aufwendungsersatz gem. § 12 UWG. Umsatzsteuer auf die Abmahnkosten wurde von der Antragstellerin nicht eingefordert.
Erst nach Veröffentlichung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Dezember 2016 (XI R 27/14, BFH/NV 2017, 866) ging die Antragstellerin ab Juni 2017 dazu über, von den abgemahnten Unternehmen auch Umsatzsteuer auf die Abmahnkosten zu fordern und stellte diesen eine Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer aus. In dem genannten Urteil hatte der BFH entschieden, dass Zahlungen, die an einen Unternehmer von dessen Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und den von ihm abgemahnten Wettbewerbern –und nicht als nicht steuerbare Schadensersatzzahlungen– zu qualifizieren sind.
Die Antragstellerin verbuchte die erhaltenen Abmahnzahlungen erst ab Mitte 2017 als Erlöse. In den Jahren 2016 und 2017 wurde von der Antragstellerin lediglich der nach Verrechnung der Abmahnzahlungen verbleibende Aufwand für Rechts- und Beratungskosten verbucht.
Der Antragsgegner führte in der Zeit vom 17. Januar 2019 bis 5. Juni 2019 bei der Antragstellerin eine steuerliche Außenprüfung durch, die sich auf die bereits veranlagten Jahre 2015 bis 2017 bezog. Der Betriebsprüfungsbericht, auf den hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird, datiert auf den 11. Juni 2019.
In Tz. 22 des BP-Berichtes traf ...