Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatbestandswirkung der Aussetzung der Vollziehung. Fortgeltung auch bei Ergehen eines Änderungsbescheides mit neuem Leistungsgebot
Leitsatz (redaktionell)
Die bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Einspruch gewährte Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides bleibt weiterhin bestehen, wenn während des laufenden Klageverfahrens ein Änderungsbescheid ergeht. Die Aussetzung wirkt auch dann bis zur Rechtskraft der Entscheidung fort, wenn der Änderungsbescheid ein neues Leistungsgebot enthält. Es gibt keinen Automatismus des Inhalts, dass sich die bisher gewährte Aussetzung der Vollziehung bei einer Änderung oder Ersetzung des ausgesetzten Verwaltungsaktes erledigt, ohne dass es einer Aufhebung der Vollziehungsaussetzung bedarf.
Normenkette
AO 1977 § 361 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2, § 68
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Antragsgegner setzte für die zusammenveranlagten Antragsteller mit Bescheid vom 29. September 2000 die Einkommensteuer 1998 auf 28.920,00 DM fest. Aufgrund einer Kontrollmitteilung, wonach bei den Antragstellern verdeckte Gewinnausschüttungen zu berücksichtigen seien, erließ er am 31. Juli 2002 einen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid, in dem er die Einkommensteuer 1998 auf 41.174,34 EUR erhöhte. Die Antragsteller legten gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Im laufenden Einspruchsverfahren erging ein weiterer Änderungsbescheid vom 02. Oktober 2002, in dem die Steuer auf 43.836,12 EUR festgesetzt wurde. Mit Einspruchsentscheidung vom 08. März 2004 erfolgte eine nochmalige Erhöhung der Steuer auf 70.936,64 EUR (138.740,00 DM).
Die Antragsteller haben wegen des Ansatzes der verdeckten Gewinnausschüttungen am 24. März 2004 Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 3 K 551/04 geführt wird und über die der Senat noch nicht entschieden hat.
Am 05. November 2004 haben die Antragsteller um gerichtliche Aussetzung der Vollziehung nachgesucht (Aktenzeichen 3 V 2032/04), nachdem zuvor ein entsprechender Antrag beim Antragsgegner erfolglos geblieben war (Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 2004). Während des gerichtlichen Verfahrens setzte der Antragsgegner mit Schreiben vom 15. März 2005 die Vollziehung des „Einkommensteuerbescheides vom 08. März 2004” in Höhe von 53.488,29 EUR Einkommensteuer unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs vom Fälligkeitstag an aus. Die Aussetzung der Vollziehung wurde längstens gewährt bis zur Entscheidung über die Klage. Der Betrag von 53.488,29 EUR entspricht dem Betrag an Einkommensteuer 1998, den die Antragsteller aufgrund der Versteuerung der verdeckten Gewinnausschüttungen an den Antragsgegner bezahlen sollen (vgl. Abrechnungsteil in der Anlage zur Einspruchsentscheidung vom 08. März 2004). Die Beteiligten haben hierauf das Verfahren 3 V 2032/04 übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.
Nachdem die Antragsteller im Klageverfahren unter Aufrechterhaltung ihrer Rechtsansicht, dass keine verdeckten Gewinnausschüttungen vorliegen, (vorläufige) Steuerbescheinigungen über anrechenbare Körperschaftsteuern vorgelegt haben, hat der Antragsgegner am 31. März 2005 einen weiteren Änderungsbescheid erlassen, in dem die Einkommensteuer 1998 unter Einbeziehung der Steuerbescheinigungen auf nunmehr 100.320,58 EUR (196.210,00 DM) festgesetzt wurde. In der Abrechnung wird nunmehr ein aufgrund der Versteuerung der verdeckten Gewinnausschüttungen an den Antragsgegner zu zahlender Betrag an Einkommensteuer 1998 in Höhe von nur noch 26.577,25 EUR ausgewiesen.
Der Prozessbevollmächtigte hat, wie einem in Kopie von ihm vorgelegten Schreiben des Antragsgegners vom 14. Februar 2006 zu entnehmen ist, gegen den Bescheid vom 31. März 2005 Einspruch eingelegt – der mit Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2005 als unzulässig verworfen wurde – und Aussetzung der Vollziehung beantragt. Aus dem vorgenannten Schreiben des Antragsgegners ist weiter zu entnehmen, dass eine Aufrechnung stattgefunden hat; hinsichtlich des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung führt der Antragsgegner aus, dass die Aussetzung der Vollziehung ausgeschlossen sei, wenn der Steuerpflichtige zwar einen Einspruch eingelegt habe, dieser aber unzulässig sei.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 21. Februar 2006 haben die Antragsteller bei Gericht „erneut Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer 1998 beantragt.”
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Auf die Ausführungen des Antragsgegners in seinem Schriftsatz vom 31. Mai 2006 wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist unzulässig.
1. Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung fehlt das Rechtsschutzinteresse, denn die Vollziehung des Änderungsbescheides vom 31. März 2005 ist aufgrund der Verfügung des Antragsgegners vom 15. März 2005 ausgesetzt. Einer gerichtlichen Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung bedarf es deshalb nicht.
a) Wird die ...