Entscheidungsstichwort (Thema)
Durch strategische Erwägungen zur Unternehmensfortführung durch den Sohn veranlasste, unentgeltliche und bedingungslose Übertragung von GmbH-Anteilen an leitende Angestellte der GmbH als nicht zu Arbeitslohn führende Anteilsschenkung
Leitsatz (redaktionell)
1. Wollen Ehegatten als Gesellschafter einer GmbH zwar eine Nachfolgeregelung innerhalb der Familie herbeiführen, sehen sie aber eine alleinige Übertragung der Anteile an ihren gemeinsamen Sohn aufgrund dessen anderweitiger branchenfremden beruflichen Erfahrung und dessen fehlender unternehmerischen Erfahrung als kritisch an und erwarten sie, dass die Unternehmensnachfolge bei einer Übertragung der wesentlichen Anteile auf den Sohn nur dann wirtschaftlich erfolgreich sein kann, wenn fünf leitende Angestellte der GmbH ebenfalls einen Anteil an der GmbH (im Streitfall von jeweils 5,08 %) übertragen bekommen, so ist es ernstlich zweifelhaft, ob die Übertragung der Anteile bei den leitenden Angestellten zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führt, wenn der Geschäftsanteilsübertragungsvertrag weder einen Grund für die Übertragung angibt noch eine Gegenleistung verlangt noch regelt, dass die Übertragung der Anteile etwa für in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu erwartende Dienste der leitenden Angestellten für die Gesellschaft erfolgen soll, und wenn auch keinerlei „Haltefrist” für die Anteile vereinbart oder geregelt wird, dass eine Veräußerung erst nach einer bestimmten Frist der Weiterbeschäftigung bei der GmbH erfolgen darf, und wenn die Übertragung vielmehr „vorbehalt- und bedingungslos” erfolgen soll.
2. Letztlich handelt es sich damit um eine Übertragung der Anteile im Rahmen der Unternehmensnachfolge, die den Fortbestand des Unternehmens sichern soll, bei der gesellschaftsrechtliche strategische Überlegungen im Vordergrund stehen und der durch die gesellschaftsrechtlich motivierte Schenkung eine Sonderrechtsbeziehung zugrunde liegt, die auch selbständig und losgelöst vom Arbeitsverhältnis bestehen kann und somit nicht zu Arbeitslohn führt.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 13. April 2016 wird in Höhe von 16.777,00 EUR von der Vollziehung ausgesetzt sowie insoweit die Vollziehung ab Fälligkeit mit der Maßgabe aufgehoben, dass bereits entstandene Säumniszuschläge entfallen.
Die Aussetzung der Vollziehung ist befristet bis zum rechtskräftigen Abschluss des unter dem Az. 3 K 161/21 anhängigen Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung eines die Instanz abschließenden Urteils.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die der Antragstellerin von den Gesellschaftern mit Vertrag vom 19. Dezember 2013 zum 1. Januar 2014 unentgeltlich übertragenen Anteile an einer GmbH, deren Arbeitnehmerin sie ist, als Arbeitslohn im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu versteuern sind, oder ob es sich bei der Übertragung vielmehr um einen der Schenkungsteuer unterliegenden Vorgang handelt.
Die Antragsteller sind verheiratet und wurden im Streitjahr zusammenveranlagt.
Die Antragstellerin ist seit vielen Jahren für die D im Bereich Vertrieb/Personal tätig und erzielte hieraus im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Die D (im folgenden GmbH) mit Sitz in Z wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 27. Dezember 1994 von E und F gegründet. Das Stammkapital betrug DM. Nach Umstellung auf Euro hielt E vom Stammkapital von nunmehr EUR einen Anteil von EUR und F einen Anteil von EUR. Gegenstand des Unternehmens der GmbH war und ist die Beteiligung an Friseurbetrieben und der Erwerb von Geschäftsanteilen an Gesellschaften, die Friseurgeschäfte betreiben (vgl. Handelsregister B des Y HRB).
Am 24. November 2013 fand eine Gesellschafterversammlung statt, deren Thema die Unternehmensnachfolge war, weil der Gesellschafter-Geschäftsführer E am 19. November 2012 das 65. Lebensjahr vollendet hatte. Im Protokoll der Gesellschafterversammlung wird ausgeführt, dass im Rahmen der Regelung der Unternehmensnachfolge die Übertragung von Geschäftsanteilen geplant sei, wodurch die Unternehmensfortführung gesichert werden solle. Die Übertragung der Geschäftsanteile solle zum einen an den gemeinsamen Sohn der beiden Gesellschafter, G, der als Arzt tätig ist, und zum anderen an die Mitglieder der Geschäftsleitung erfolgen. Hierzu sind neben der Antragstellerin vier weitere Personen namentlich benannt. Die beiden bisherigen Gesellschafter hielten die Absicht fest, dass die genannten Personen das Unternehmen nach dem Wechsel in der Geschäftsleitung verantwortlich führen und leiten sollen. Eine Führung und Leitung des Unternehmens nur durch den Sohn sei u.a. wegen der fehlenden unternehmerischen Erfahrung nicht gewährleistet. Deshalb werde der Erfolg der Gesellschaft in Zukunft von der stärkeren persönlichen Einbindung der bisher in der Geschäftsleitung tätigen...