Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO allein wegen vorsorglicher Ladung zur mündlichen Verhandlung. Beginn des Beweisaufnahmeverfahrens. Erinnerung gegen Kostenfestsetzung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Beweisaufnahmeverfahren beginnt mit der Beweisanordnung, die nicht notwendig einen förmlichen Beweisbeschluss im Sinne des § 358 ZPO i.V.m. § 82 FGO voraussetzt. Es genügt vielmehr, dass die Beweisanordnung aus dem Verfahrensablauf nachweisbar ist.

2. Eine vorsorgliche, mit der Angabe des (voraussichtlichen) Beweisthemas verbundene Ladung des Sohnes des Klägers als Zeuge „zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme” kann nicht als Beweisanordnung gewertet werden und führt daher nicht zur Entstehung einer Beweisgebühr.

3. Die „Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren” i.S. von § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO setzt im Finanzprozess eine Tätigkeit im Außenverhältnis voraus, so dass der Rechtsanwalt entweder gegenüber dem Gericht oder gegenüber einem anderen Beteiligten tätig werden muss. Eine Tätigkeit im Verhältnis zur eigenen Partei genügt insoweit nicht.

 

Normenkette

BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3; FGO § 82; ZPO § 358

 

Tenor

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Der Erinnerungsführer hat die im Erinnerungsverfahrens entstandenen Kosten zu tragen; Gerichtsgebühren werden für das Erinnerungsverfahren nicht erhoben.

 

Tatbestand

Der Erinnerungsführer wendet sich mit seiner fristgerecht eingelegten Erinnerung gegen den in dem Verfahren 4 K 274/02 gefassten Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 13. April 2005.

In dem Verfahren 4 K 274/02 hat das Gericht den Sohn des Erinnerungsführers unter Benennung des (voraussichtlichen) Beweisthemas als Zeugen zur mündlichen Verhandlung geladen und die Beteiligten hierüber in der Ladung zu diesem Termin informiert. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit vor der mündlichen Verhandlung übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt, woraufhin das Gericht den Termin zur Durchführung der mündlichen Verhandlung aufhob. Mit Beschluss vom 20. Dezember 2004 (Aktenzeichen: 4 K 274/02) hat das Gericht bestimmt, dass der Erinnerungsgegner (Beklagte) die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle kürzte die im Kostenfestsetzungsantrag vom 11. Januar 2005 geltend gemachten Reisekosten nach § 29 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und setzte die dem Erinnerungsführer (Kläger) zu erstattenden Kosten im Übrigen – mit Ausnahme der geltend gemachten Beweisgebühr – antragsgemäß mit Beschluss vom 13. April 2005 fest.

Über die Erinnerung entscheidet der Berichterstatter als Einzelrichter, denn der Senat hat das Klageverfahren 4 K 274/02 mit Beschluss vom 09. November 2004 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung [FGO]). Diese Übertragung auf den Berichterstatter als Einzelrichter schließt eventuell erforderliche Folgeentscheidungen, insbesondere auch solche im Kostenfestsetzungsverfahren, mit ein (Brandis, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, Stand: April 2005, § 6 FGO RdNr. 18).

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist unbegründet.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat zu Recht eine Beweisgebühr nicht festgesetzt. Nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte [BRAGO] erhält der zum Prozessbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt eine volle Gebühr unter anderem für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren (Beweisgebühr). Der Anwendung dieser Bestimmung steht nicht entgegen, dass am 01. Juli 2004 das Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz)RVG – an die Stelle der BRAGO getreten ist. Denn nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG richtet sich die Vergütung des Prozessbevollmächtigten weiterhin nach der BRAGO, wenn er – wie hier im Klageverfahren 4 K 274/02 – vor dem 01. Juli 2004 mandatiert wurde.

Für die Entstehung der Beweisgebühr ist nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO die Vertretung in einem Beweisaufnahmeverfahren erforderlich. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, denn es fehlt bereits an einem Beweisaufnahmeverfahren.

Das Beweisaufnahmeverfahren beginnt mit der Beweisanordnung, die nicht notwendig einen förmlichen Beweisbeschluss im Sinne des § 358 der Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 82 FGO voraussetzt (OLG Koblenz, Beschluss vom 29. Juni 1981 – 14 W 284/81 – VersR 1982, 585). Es genügt vielmehr, dass die Beweisanordnung aus dem Verfahrensablauf nachweisbar ist (von Eicken, in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 15. Auflage, München 2001, § 31 RdNr. 90).

Das Gericht hat einen förmlichen Beweisbeschluss nicht gefasst. Eine Beweisanordnung ist auch nicht aus dem Verfahrensablauf nachweisbar.

Die unbedingte Anordnung zur Durchführung einer Beweisaufnahme lässt sich nicht aus der Mitteilung des Berichterstatter an die Beteiligten vom Juni 2004 ableiten, dass der Sohn des Erinnerungsführers (Klägers) voraussichtlich ...

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