Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchführung der kindergeldrechtlichen "Günstigerprüfung" nach dem Monatsprinzip
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die "Günstigerprüfung" nach § 31 Satz 4 des ab 1996 gültigen EStG gilt das Monats- und nicht das Jahresprinzip (gegen BMF-Schreiben vom 9.3.1998 IV B S 2280 - 45/98, BStBl I 1998, 347).
2. Haben Eltern trotz eines Kindergeldanspruchs für das ganze Jahr wegen verspäteter Antragstellung für einige Monate kein Kindergeld erhalten, sind bei der Einkommensteuerveranlagung für diese Monate die anteiligen Kinderfreibeträge zum Abzug zu bringen.
Normenkette
EStG 1996 § 31 Sätze 4, 3, § 32 Abs. 6, § 36 Abs. 2, § 66 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob den Klägern ein Kinderfreibetrag für die Monate zusteht, für welche sie kein Kindergeld für ihr Kind R … erhalten haben.
Die Kläger sind Eheleute, die vom Beklagten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Sie haben drei Kinder, nämlich O… R… und A- … Für den am 29. November 1977 geborenen Sohn R R… erhielt die Klägerin für das Streitjahr nur Kindergeld von Januar bis August, und zwar in Höhe von 1.600 DM. Dies ergibt sich aus einem in den vom Beklagten vorgelegten Einkommensteuerakten befindlichen Schreiben der Verwaltungsgemeinschaft „Finne” vom 30. April 1997. R… führte Streitjahr u. a. eine Berufsausbildung zum Metallbauer durch. Die Ausbildungsvergütung betrug zunächst 460 DM brutto monatlich.
Der Beklagte hat bei der Einkommensteuerveranlagung für keines der Kinder einen Kinderfreibetrag abgezogen, weil das erhaltene Kindergeld für die Kläger steuerlich günstiger sei. Die Einkommensteuer für das Streitjahr wurde im angefochtenen Bescheid auf 1.551 DM festgesetzt.
Das Einspruchsverfahren ist erfolglos geblieben.
Mit der Klage wird geltend gemacht, dass der Sohn R… ganzjährig in Berufsausbildung befindlich gewesen sei, die maßgebliche Einkünftegrenze von 12.000 DM nicht überschritten habe, dass jedoch Kindergeld nur bis einschließlich August des Streitjahres vom Arbeitgeber gezahlt worden sei. Für die Monate September bis Dezember müsse daher ein Kinderfreibetrag von monatlich 522 DM (× 4 = 2.088 DM) abgezogen werden.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 04. Februar 1998 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 10. Juli 1998 abzuändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages in Höhe von 2.088 DM. für das Kind R… herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist darauf, dass bei der Günstiger-Prüfung im Rahmen des § 31 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf das Kalenderjahr abzustellen sei.
Entscheidungsgründe
Der Senat war an der Entscheidung nicht etwa deshalb gehindert, weil die Kläger nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen sind. Sie sind in der Ladungsverfügung des Vorsitzenden darauf hingewiesen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne (§ 91 Abs. 2 FGO).
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr ist entgegen der Ansicht des Beklagten ein Kinderfreibetrag in Höhe von insgesamt 2.088 DM abzuziehen (§ 32 Abs. 6 S. 2 EStG).
Nach § 31 S. 1 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes entweder durch den Kinderfreibetrag nach § 32 EStG oder durch Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG bewirkt. Unstreitig hat die Klägerin nur für 8 Monate des Streitjahres Kindergeld von ihrem Arbeitgeber erhalten. Für die Monate September bis Dezember 1996 hat die Klägerin dagegen kein Kindergeld erhalten. Auch der Kläger hat kein Kindergeld gezahlt bekommen.
Im Rahmen des Familienleistungsausgleichs ist bei der Veranlagung zur Einkommensteuer der Kinderfreibetrag abzuziehen, wenn die gebotene steuerliche Freistellung durch das Kindergeld nicht im vollem Umfang bewirkt wird (§ 31 S. 4 EStG). Im Streitfall ist die gebotene steuerliche Freistellung durch das Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt worden, denn die Klägerin hat – trotz Vorliegens der entsprechenden Voraussetzungen – das Kindergeld nicht ganzjährig erhalten. Die Gründe hierfür kann der Senat dahinstehen lassen. Es steht jedenfalls fest, dass die Klägerin das Kindergeld nur für 8 Monate erhalten hat.
Nach Ansicht des Senats ist bei der sogenannten Günstiger-Prüfung, welche im Rahmen des § 31 S. 4 EStG durchzuführen ist, für jeden einzelnen Kalendermonat des Veranlagungszeitraums zu untersuchen, ob die steuerliche Freistellung in Form der Gewährung des Kindergeldes oder des Abzuges eines Kinderfreibetrages für den Steuerpflichtigen günstiger ist. Diese Rechtsfrage ist allerdings umstritten. Die Finanzverwaltung vertritt im BMF-Schreiben vom 09. März 1998 (IV B S 2280–45/98 – BStBl I 1998, 347 –), die Auffassung, dass in Fällen, in denen in e...