Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung eines nicht im Handelsregister eingetragenen GmbH-Geschäftsführers nach § 69 AO 1977 bei Stillhalteabkommen mit FA. Haftung für Lohnsteuer. Kirchensteuer. Solidaritätszuschläge und Säumniszuschläge
Leitsatz (amtlich)
1. Vertreterhaftung nach § 69 AO 1977: Verhindert der bestellte Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft durch sein Eingreifen die Eintragung seiner Bestellung in das Handelsregister, ändert dies nichts an seinen Geschäftsführerpflichten.
2. Selbst eine einverständliche Hoffnung auf künftige Zahlungsmöglichkeiten schließt die Haftung nach § 69 AO 1977 ebenso nicht aus, wie eine Stundung durch das FA.
Normenkette
AO 1977 §§ 69, 34, 191 Abs. 1 S. 1; FGO § 102; AO 1977 § 5
Nachgehend
Tenor
In Abänderung des Haftungsbescheides vom 08. Oktober 1998 in der Fassung durch den Rücknahmebescheid vom 04. April 2002 wird die Haftungssumme auf 30.003,60 EUR festgesetzt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger für Lohnsteuern, Kirchensteuern, Solidaritätszuschläge, Verspätungszuschläge und Säumniszuschläge der … E. GmbH – nachfolgend … GmbH – haftet.
Mit notariellem Vertrag vom 28. August 1991 gründeten die Herren U., R. und K. die … GmbH. Zu Geschäftsführern wurden die Herren U. und R. bestellt und in das Handelsregister eingetragen.
Über das Vermögen der … GmbH wurde mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 24. April 1996 die Sequestration angeordnet und am 17. Mai 1996 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Daraufhin prüfte der Beklagte die Haftungsvoraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Geschäftsführer U. und R. wegen der Steuerrückstände der … GmbH und gewährte ihnen rechtliches Gehör. Mit jeweils selbständigen Schreiben gleichen Inhalts antworteten beide, dass im Zuge der Sanierung der … GmbH das Land Sachsen-Anhalt im Jahr zuvor ein Konsolidierungsdarlehen nur unter der Bedingung bewilligt habe, dass der Kläger zum kaufmännischen Geschäftsführer der … GmbH bestellt werde und das Controlling der Finanzen übernehme. Daher hätten die drei Gesellschafter unter Verzicht auf alle Formen und Fristen am 8. März 1995 beschlossen, dass der Kläger zum weiteren Geschäftsführer der … GmbH bestellt werde. Beigefügt waren die Kopien eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses, der jeweils am 8. März 1995 an unterschiedlichen Orten von jeweils einem der drei Gesellschafter unterschrieben wurde, ferner die Kopie einer Anmeldung der Bestellung des Herrn M. als Geschäftsführer zur Eintragung in das Handelsregister vom gleichen Tag mit notariell beglaubigten Unterschriften des Klägers und des Herrn R. und schließlich die Kopie einer Erklärung des Klägers vom 10. Januar 1995, dass er bereit sei, als kaufmännischer Geschäftsführer der … GmbH mindestens 30 Stunden die Woche für die Gesellschaft tätig zu sein. Dies entsprach einer der Auflagen, die der … GmbH in dem Bescheid über die Bewilligung des Konsolidierungsdarlehens gemacht worden waren. Seitdem, so führten die Herren U. und R. aus, habe dem Kläger allein die Verwaltung der Finanzen der Gesellschaft oblegen und er habe auch die alleinige Verfügungsmacht über Geldein- und – ausgänge gehabt. Die anderen Geschäftsführer hätten keinen Einfluss mehr auf die kaufmännische Leitung gehabt, sondern sich auf die Auftragsabwicklung und den Vertrieb beschränkt. Auch habe ihnen der Zugriff auf die Geschäftsunterlagen gefehlt, die vom Kläger eingestellte Buchhalterin habe bei gezielten Rückfragen die Auskunft verweigert und die betreffenden Lohnsteueranmeldungen seien von einer vom Kläger beauftragten Steuerberatungsgesellschaft erstellt und unterzeichnet worden, bis der Kläger am 19. März 1996 sein Amt als kaufmännischer Geschäftsführer niedergelegt habe.
Der Beklagte wandte sich nunmehr an den Kläger und gab ihm Gelegenheit, sich zu der Haftungsfrage zu äußern. Der Kläger führte aus, er sei lediglich im Innenverhältnis als Geschäftsführer der Kapitalgesellschaft bestellt worden, doch sei es zu einer Vertretungsvollmacht nicht gekommen. Seines Erachtens sei er nicht gesetzlicher Vertreter der … GmbH geworden. Auch habe er sich keine Pflichtverletzung vorzuwerfen; erst im März 1996 habe sich herausgestellt, dass ein Konsolidierungskonzept, das auch die für die Bezahlung der Steuerschulden erforderlichen Mittel erbracht hätte, nicht verwirklicht werden konnte und die Gesellschaft Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens stellen musste.
Der Beklagte sah den Kläger dennoch als Geschäftsführer der Gesellschaft an und nahm ihn mit Bescheid vom 07. Januar 1997 wegen insgesamt 128.638,50 DM in Anspruch. Mit seinem Einspruch machte der Kläger vornehmlich geltend, zum einen sei der Gesellschafterbeschluss über seine Bestellung als Geschäftsführer nicht zustande gekommen, zum anderen habe der Beklagte infolge berichtigter Lohnsteueranmeldungen nur noch Forderungen über 65.791,95 DM. Der Beklag...