Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag eines zeitweilig psychisch beeinträchtigten Rechtsanwalts auf Erlass seiner Steuerschulden
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein nicht dauernd geschäftsunfähiger, sondern allenfalls zeitweilig psychisch beeinträchtigter Steuerpflichtiger, der weiter als Rechtsanwalt zugelassen ist und arbeitet, ist nicht persönlich erlasswürdig, wenn er z.B. jahrelang keine Steuererklärungen abgegeben bzw. erst nach Schätzungen Erklärungen eingereicht hat, wenn er vereinbarte Ratenzahlungen ohne Zustimmung des Finanzamts eingestellt und sich auch nicht bemüht hat, durch Kontaktaufnahme mit dem Finanzamt eine geänderte (verringerte) Ratenzahlung zu vereinbaren, und wenn er ferner auch nicht versucht hat, durch die Einleitung eines Insolvenzverfahrens oder eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens zur Tilgung seiner –nur gegenüber wenigen Gläubigern– bestehenden Verbindlichkeiten beizutragen. Es ist nicht Aufgabe der Finanzverwaltung, durch den Erlass bestehender Steuerschulden einen Beitrag zur Sanierung Einzelner zu leisten, wenn diejenigen nicht selbst aktiv zu Lösung der Probleme beitragen.
2. Der Rechtsanwalt ist trotz niedriger Einkünfte (ca. 600 bis 800 EUR monatlich) auch nicht erlassbedürftig, wenn er bei gleichen finanziellen Verhältnissen in den letzten ca. vier bis fünf Jahren monatliche Ratenzahlungen von jeweils 100 EUR erbringen konnte und davon auszugehen ist, dass er auch ohne vollständigen Erlass der bestehenden Steuerverbindlichkeiten seinen Lebensunterhalt weiter bestreiten können wird und ein Erlass auch nicht erforderlich ist, um die Erwerbstätigkeit fortsetzen zu können. Vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten gefährden nicht in jedem Fall die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen.
Normenkette
AO § 227
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Ausweislich der Akten des Beklagten ist der Kläger seit Ende 2003 mit der Begleichung von Steuerschulden im Rückstand. Der Beklagte hatte daraufhin bei ihm bekannten Konten Pfändungs- und Einziehungsverfügungen erlassen und mit dem Kläger Ratenzahlungen vereinbart. Der Kläger zahlte daraufhin bis Sommer 2007 ohne gesonderte Zweckbestimmung monatlich 100 EUR. Seitdem sind keine weiteren Zahlungen erfolgt.
Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 26. April 2005 pfändete der Beklagte bei der Landesbank das Konto des Klägers. Mit Schreiben vom 1. Mai 2005 teilte der Kläger daraufhin mit, dass die Vollstreckung seine Existenz sowohl in wirtschaftlicher als auch in psychischer Hinsicht gefährde, er nicht mehr in der Lage sei, Miete und Krankenversicherung zu begleichen sowie seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er vertrat die Ansicht, dass die Pfändung einen Verstoß gegen das Übermaßverbot darstelle, da ihm nicht einmal das Existenzminimum gelassen werde. Er sei aus psychischen Gründen nicht in der Lage, Steuererklärungen zu erstellen. Wörtlich führte er aus: „Sofern wir hier keine Lösung finden werden, werde ich im günstigsten Fall private Insolvenz anmelden müssen und im schlimmsten Fall meinem Leben ein Ende bereiten.” Er beantragte Vollstreckungseinstellung wegen unbilliger Härte.
Zum 3. Mai 2005 waren an Einkommensteuer- und Umsatzsteuerschulden sowie Nebenleistungen, Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten insgesamt 10.909,12 EUR aufgelaufen.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2005 beantragte der Kläger sodann den Erlass der bestehenden Steuerschulden in voller Höhe und bezog sich zur Begründung auf sein Schreiben vom 1. Mai 2005.
Mit Bescheid vom 2. August 2005 lehnte der Beklagte den Erlassantrag ab. Er sah keine sachlichen Billigkeitsgründe und vertrat die Ansicht, dass der Kläger sich zwar finanziell in einer schwierigen Situation befinde, jedoch bei Besserung der finanziellen Verhältnisse die Möglichkeit einer Ratenzahlungsvereinbarung bleiben würde und somit eine Existenzgefährdung nicht ersichtlich sei.
Mit Schreiben vom 2. September 2005 legte der Kläger Einspruch ein. Trotz Aufforderung begründete der Kläger den Einspruch nicht. Mit Einspruchbescheid vom 15. November 2006 (abgesandt am 16. November 2006) wies der Beklagte den Einspruch sodann als unbegründet zurück. Er sah keine sachlichen Billigkeitsgründe und vertrat die Ansicht, dass der Kläger nicht erlasswürdig sei, da er trotz wiederholter Aufforderungen seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Es habe an der Begründung des Einspruchs gefehlt.
Im weiteren Vollstreckungsverfahren reichte der Kläger im Februar 2007 eine Gläubigeraufstellung ein, aus der sich sonstige Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 4.956,99 EUR ergaben (BaFöG-Kredit, Gerichtskosten, Anwaltskosten, Krankenversicherungsbeiträge und Privatdarlehen wegen Mietschulden). In der mündlichen Verhandlung am 04. Februar 2007 teilte der Kläger mit, dass sich diese Verbindlichkeiten zwischenzeitlich verringert hätten bzw. die Rückzahlung des BaFöG-Kredites gestundet sei.
Mit Schre...