Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn und Dauer der Festsetzungsfrist bei unrichtiger oder unvollständiger Steuererklärung. keine Steuerverkürzung durch auf fehlerhafter Rechtsanwendung des Finanzamts beruhender zu niedriger Steuerfestsetzung. Grundsteuermessbescheid als Grundlagenbescheid für die Einkommensteuer bei Gewinnermittlung nach § 13a EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung setzt die Festsetzungsfrist in Gang.
2. Der Grund für eine Verlängerung der Festsetzungsfrist fällt weg, wenn der Behörde vor Ablauf der regulären vierjährigen Festsetzungsfrist der gesamte Sachverhalt unterbreitet wird.
3. Ergibt sich aus den Angaben des Steuerpflichtigen in der Anlage L, dass er nicht berechtigt ist, seinen Gewinn nach § 13a EStG zu ermitteln, so ist ihm eine Steuerfestsetzung, die darauf beruht, dass das Finanzamt den Gewinn zu Unrecht dennoch nach § 13a EStG ermittelt hat, nicht mehr zuzurechnen. Der Sachverhalt ist dem Finanzamt zumindest insoweit vollständig unterbreitet worden, als dieses erkennen konnte, dass die Gewinnermittlung nach § 13a EStG nicht zulässig war.
4. Beruht eine unzutreffend niedrige Steuerfestsetzung auf einer unzutreffenden Entscheidung des Finanzamts, die ihrerseits auf zutreffenden Angaben des Steuerpflichtigen beruhten, die dadurch vollständig waren, dass sie es dem Finanzamt erlaubten, eine unzutreffende Besteuerung zu vermeiden, so kommt eine Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nicht in Betracht.
5. Ob und inwieweit Grundsteuermessbescheide im Falle der Gewinnermittlung nach § 13a EStG Grundlagenbescheide für die Einkommensbesteuerung darstellen können, konnte im Streitfall dahinstehen.
Normenkette
AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2, § 171 Abs. 10; EStG 1990 § 13a Abs. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
Unter Änderung des Bescheids vom 18. Oktober 2001 und der zu diesem ergangenen Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2002 wird die Einkommensteuer für 1993 auf EUR 1.055,31 (DM 2.064,–) festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte ist befugt, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Befugnis des Beklagten, einen Einkommensteuerbescheid zu ändern.
Zum 01. Oktober 1992 eröffnete die Klägerin einen landwirtschaftlichen Betrieb im Beitrittsgebiet.
Die Einkommensteuererklärung der Klägerin für 1993 ging im Jahre 1995 beim Finanzamt U. ein. In der Anlage L gab die Klägerin als Wirtschaftjahr die Zeit vom 01. Oktober bis 30. Juni an. In Zeile 4 ist „lt. Gesonderter Feststellung” angekreuzt, in Zeile 5 findet sich unter der Überschrift „Finanzamt, Steuernummer” lediglich der maschinenschriftliche Eintrag: „…” mit dem handschriftlichen Zusatz „FA D. = landw. Betrieb”. Daneben findet sich ein Bearbeitungsvermerk. „Veräußerung in 1992”. Ein Gewinn ist nicht eingetragen.
Unter dem 19. Juli 1995 setzte das Finanzamt U. die Einkommensteuer der Klägerin für 1993 auf DM 0,– fest. Im Abrechnungsteil wies es weder Forderungen noch Verbindlichkeiten aus.
Im Jahre 1997 reichte die Klägerin beim Beklagten eine berichtigte Anlage L ein. Den Gewinn des Wirtschaftsjahres 1992/93 gab sie mit DM 12.494,–, den des Wirtschaftsjahres 1993/94 mit DM 14.940,–, soweit der Gewinn jeweils auf 1993 entfiel, an, die verausgabten Pachtzinsen mit DM 7.250,–, die landwirtschaftlich genutzten Flächen mit 78,81 ha, von denen 15,76 ha stillgelegt gewesen seien. Sie reichte für die Wirtschaftsjahre 1992/93 und 1993/94 Gewinnermittlungen nach § 13a EStG ein. Für das Wirtschaftsjahr 1992/93 gab sie einen Einheitswert lt. EW-Bescheid von DM 55.158,– und einen mit diesem identischen Ausgangswert i.S.d. § 13 a Abs. 4 EStG bei einer berücksichtigten Fläche von 58,17 ha an, für das Wirtschaftsjahr 1993/94 entsprechend einen Wert von DM 74.729,– bei einer berücksichtigten Fläche von 78,81 ha.
Unter dem 27. Januar 1998 setzte der Beklagte der Klägerin gegenüber die Einkommensteuer für 1993 auf DM 2.064,– fest, wobei er Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i.H.v. DM 27.434,– und i.R.d. Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte einen Freibetrag für Land- und Forstwirte i.H.v. DM 2.000,– berücksichtigte.
Die Klägerin gab keine Erklärungen zur Ermittlung des Ersatzwirtschaftswerts und zur Festsetzung des Grundsteuermessbetrags auf den 01. Januar 1993 und 1994 ab.
Unter dem 11. November 1998 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Grundsteuermessbescheid für die Nutzungseinheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens in S. auf den 01. Januar 1994, dem er einen Ersatzvergleichswert von DM 1.084,– und einen Ersatzwirtschaftswert von DM 69.000,– zugrunde...