Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit einer den tatsächlichen Aufwand des Vorsitzenden eines Abwasserzweckverbands offenbar übersteigenden Aufwandsentschädigung. Keine entsprechende Anwendung der Regelung für ehrenamtliche Bürgermeister
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 12.972 Euro im Kalenderjahr ist davon auszugehen, dass diese die Höhe des tatsächlich erwachsenen Aufwands des Vorsitzenden eines Abwasserzweckverbands offenbar übersteigt und auch Verdienstausfall oder Zeitverlust entgolten wurde, wenn der Steuerpflichtige hierzu trotz Aufforderung keine Angaben macht.
2. Für die Schätzung der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen darf auf Erfahrungssätze zurückgegriffen werden. R 13 Abs. 3 LStR enthält insoweit Schätzungen, die auf einer zutreffenden Verwaltungserfahrung beruhen und deren Heranziehung für die Bestimmung des steuerfreien Teils der Entschädigung nicht zu beanstanden ist.
3. Die Tätigkeit eines Vorsitzenden eines Abwasserzweckverbands ist derjenigen eines ehrenamtlichen Bürgermeisters nicht vergleichbar. Eine entsprechende Anwendung der ehrenamtlichen Bürgermeistern im Land Sachsen-Anhalt gemäß Erlass vom 11.12.2001, Az. 42-S2121-10, gewährten steuerfreien Pauschale kommt daher nicht in Betracht.
Normenkette
EStG 2002 § 3 Nr. 12; LStR 2002 R 13 Abs. 3
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 43 v.H., der Beklagte zu 57 v.H.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Steuerfreiheit einer gezahlten Aufwandsentschädigung.
Der Kläger ist Verbandsvorsitzender des Abwasserzweckverbandes.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2003 erklärte er den Erhalt einer Aufwandsentschädigung des Abwasserzweckverbandes in Höhe von 12.972 EUR und vertrat die Auffassung, dass hiervon 1.080 EUR steuerfrei seien. Der Kläger ist im übrigen nichtselbstständig tätig und außerdem Geschäftsführer zweier GmbH. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2005 setzte der Beklagte die Einkommensteuer fest. In den Erläuterungen zur Festsetzung führte er aus, dass ein steuerfreier Anteil an der Aufwandsentschädigung mangels gesetzlicher Grundlage nicht gewährt werden könne.
Im hiergegen gerichteten Einspruch vom 17. Oktober 2005 beantragte der Kläger zunächst 1.848 EUR nach § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei zu belassen. Ergänzend führte er nachfolgend aus, dass nach seiner Ansicht nach § 16 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit in Sachsen-Anhalt (GKG-LSA) die Vorschriften über steuerfreie Beträge in Zusammenhang mit Aufwandsentschädigungen von ehrenamtlichen Bürgermeistern mit denen von Verbandsvorsitzenden gleichzusetzen seien. Nach seiner Ansicht ergab sich danach ein Steuerfreibetrag in Höhe von 3.240 EUR.
Den Einspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 2006 als unbegründet zurück. Er vertrat darin die Auffassung, dass der Zweckverband im Rahmen der fiskalischen Verwaltung tätig sei, so dass dieser als ein als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierter Gewerbebetrieb aufzufassen und damit die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit nicht als Leistung öffentlicher Dienste anzusehen sei. Daher komme eine Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 12 EStG nicht in Betracht. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem vom Kläger herangezogenen GKG-LSA, da dieses lediglich die Anwendbarkeit der Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt auf den Zweckverband regele und eine Regelung zur Anwendung steuerlicher Vorschriften nicht bewirken könne.
Am 10. Februar 2006 hat der Kläger Klage erhoben.
Im Rahmen des Klageverfahrens hat der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid vom 20. Juni 2007 die Einkommensteuer geändert festgesetzt. Er geht nunmehr davon aus, dass der Kläger vergleichbare öffentliche Dienste leiste und die Aufwandsentschädigung aus einer öffentlichen Kasse im Sinne des Gesetzes geleistet werde, jedoch aufgrund der fehlenden Festsetzung der Aufwandsentschädigung in Gesetzen oder Rechtsverordnungen entsprechend R 13 Abs. 3 Satz 3 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) nur ein Steuerfreibetrag in Höhe von 1.848 EUR gewährt werden könne.
Der Kläger verweist auf einen Erlass des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 11. Dezember 2001 – 42-S2121-10, MBl. LSA Nr. 14/2002 vom 11. März 2002, S. 230, in dem die steuerliche Behandlung von Entschädigungen für Mitglieder kommunaler Volksvertretungen geregelt sei. Er ist der Ansicht, dass die Regelungen auf ihn übertragen werden müssten. Darüber hinaus meint der Kläger, dass bei einem Begünstigungsausschluss ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vorliege, da nicht nachvollziehbar sei, weshalb beispielsweise ein Bürgermeister steuerlich hinsichtlich ihm geleisteter Aufwandsentschädigungen begünstigt sei, ein Verbandsvorsitzender, der ins...