rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch für volljährigen Sohn bei Besuch einer Bibelschule als Vorbereitung für eine spätere Tätigkeit als Missionar

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Da das Berufsziel und die Gestaltung der Ausbildung nach ständiger Rechtsprechung weitgehend von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes bestimmt werden ist das Berufsziel nicht ohne Weiteres dann als erreicht anzusehen, wenn das Kind die Mindestvoraussetzungen für die Ausübung des von ihm gewählten Berufs erfüllt. Kindern muss deshalb zugebilligt werden, zur Vervollkommnung und Abrundung von Wissen und Fähigkeiten auch Maßnahmen außerhalb eines fest umschriebenen Bildungsgangs zu ergreifen

2. Der festen Regelungen unterliegende, 31,5 Wochenunterrichtsstunden umfassende Besuch einer nicht unmittelbar berufsqualifizierenden Bibelschule an einem Glaubenszentrum kann für den volljährigen Sohn auch dann eine Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im Hinblick auf das spätere Berufsziel „Missionar” darstellen, wenn der Sohn nach dem Abschluss der Bibelschule nicht sofort als Missionar arbeitet, sondern noch ein Studium der Agrarwissenschaften aufnimmt.

 

Normenkette

EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 62 Abs. 1

 

Tenor

Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 10. Juni 2009 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 06. November 2009 wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für ihren Sohn J. für den Zeitraum Juni 2009 bis Mai 2010 Kindergeld zu gewähren.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Kindergeld für den Sohn der Klägerin J., geb. … 1988, von Juni 2009 bis Mai 2010.

Der Sohn der Klägerin besuchte ausweislich zweier Bescheinigungen vom 14. Juli 2008 des Glaubenszentrums Bad … – … e.V. vom 20. September 2008 bis zum 24. Mai 2009 einen Ausbildungskurs I / Jüngerschaft, Bibelkunde und Evangelisation. Die Inhalte des Kurses folgten dem Studienplan vom 20. Mai 2009, auf den verwiesen wird. Der Kurs diente ausweislich der Bescheinigung der theologischen Ausbildung geeigneter Personen für Kinder- und Jugendarbeit, Mission, Musikdienst, Diakonische Arbeit im seelsorgerlichen und sozialen Dienst sowie für Predigtdienst. Der Unterricht fand in Vollzeitunterricht statt, der theoretische Unterricht wurde von Montag bis Freitag von 8:30 bis 12:20 Uhr erteilt. Zum Ausbildungsprogramm gehörte auch die Durchführung praktischer Arbeiten an zwei Nachmittagen mit je drei Stunden und zwei Studierzeiten an den Abenden mit vorgegebenen Themen von je 2 Stunden. An einem weiteren Abend trafen sich die Schüler für eineinhalb Stunden mit Mitarbeitern des Zentrums zum Austausch und Vertiefen des Gelernten. Die Teilnahme an dem Kurs I wurde mit Zertifikat vom 23. Mai 2009 bestätigt.

Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 06. August 2008 im Zeitraum August 2008 bis Mai 2009 Kindergeld.

Ausweislich einer Bescheinigung des Glaubenszentrums vom 29. September 2009 besuchte der Sohn nachfolgend vom 19. September 2009 bis 30. Mai 2010 den Kurs II / Mitarbeiterschule. Die Inhalte des Kurses folgten dem Studienplan vom 20. Dezember 2009, auf den verwiesen wird. Dieser Kurs fand in Vollzeitunterricht statt, theoretischer Unterricht wurde von Montag bis Freitag von 8:30 bis 12:20 Uhr erteilt. Weiter gehörten zum Kurs II spezifischer Unterricht an zwei Nachmittagen in einem der Bereiche Evangelisation, Musik, Kinder- und Jugendarbeit mit je drei Stunden, zwei Studierzeiten an den Abenden mit vorgegebenen Themen von je zwei Stunden und an einem weiteren Abend trafen sich die Schüler mit Mitarbeitern des Zentrums zum Austausch und Vertiefen des Gelernten. Die Teilnahme an dem Kurs II wurde durch Abschlusszertifikat des Glaubenszentrums vom 29. Mai 2010 bestätigt.

Insgesamt umfassten die Kurse jeweils 1.008 Unterrichtsstunden, dies ergibt 31,5 Stunden pro Woche.

Den Antrag auf Weiterzahlung des Kindergeldes ab Juni 2009 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juni 2009 mit der Begründung ab, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a Einkommensteuergesetz (EStG) nicht erfüllt seien, da der Besuch des Glaubenszentrums Bad … nicht auf einen konkreten Beruf bezogen sei und lediglich der Vermittlung allgemein nützlicher Fertigkeiten oder der Lebenserfahrung und der Herausbildung sozialer Eigenschaften diene. Dies sei jedoch nach Ansicht der Beklagten keine Ausbildung im Sinne des Einkommensteuergesetzes.

Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 23. Juni 2009, mit dem die Klägerin die Ansicht vertrat, dass der Besuch der Bibelschule des Glaubenszentrums die notwendige Grundlage für die Ausübung der verschiedensten Berufe schaffe. Zwar komme dem Abschluss der ...

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