Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit bei streitiger Verlegung der Geschäftsleitung in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Finanzamts nach Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung. Rechtmäßigkeit einer gegen neugegründete GmbH ergangenen Prüfungsanordnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist streitig, ob nach der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung gegen eine GmbH die Geschäftsleitung der GmbH tatsächlich in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Finanzamts verlegt worden ist, bleibt aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität das Finanzamt, das die Prüfungsanordnung erlassen hat, für die Steuern vom Einkommen der GmbH (§ 20 AO) solange weiter zuständig, bis – ggf. im Rahmen der Betriebsprüfung – zweifelsfrei feststeht, dass der Ort der Geschäftsleitung wie von der GmbH behauptet an einen anderen Ort verlegt worden ist.

2. Das bisher zuständige Finanzamt bleibt nach § 21 Abs. 1 AO auch bei einem eventuellen Wechsel der Geschäftsleitung in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Finanzamts für die Umsatzsteuer der GmbH weiter zuständig, wenn sich in seinem Zuständigkeitsbereich unverändert das einzige Geschäftslokal der GmbH befindet, in dem der gesamte Geschäftsverkehr mit den Kunden (Auftragsannahme, Vorbereitung der Auftragsausführung, Barzahlungen der Kunden usw.) abgewickelt wird.

3. Die Anordnung einer Außenprüfung für die beiden ersten Geschäftsjahre einer durch Umwandlung einer OHG entstandenen GmbH ist mit dem Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO als Rechtsgrundlage sowie den Umstand der Umwandlung ausreichend begründet und lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Für die Auffassung des Prozessbevollmächtigten, dass eine Prüfungsanordnung entweder nur aus generalpräventiven oder aus spezialpräventiven Gründen erfolgen könne und eine Kumulation beider Gründe nicht möglich sei, findet sich weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung eine Grundlage. Die Anordnung der Prüfung von nur zwei Veranlagungszeiträumen sei ebenfalls ermessensgerecht, denn zum Einen sieht § 4 BpO 2000 vor, dass der Prüfungszeitraum in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen soll; zum Anderen besteht im Streitfall die Besonderheit der Umwandlung.

 

Normenkette

AO § 20 Abs. 1, § 21 Abs. 1 S. 1, § 26 S. 1, § 193 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 195 Sätze 1-3, §§ 121, 196; BpO 2000 § 4

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Jahr 2003 gründeten W. L. (Vater) und P. L. (Sohn) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Zum 01. Dezember 2003 wurde die GbR in eine offene Handelsgesellschaft (OHG) umgewandelt (Anmeldung zum Handelsregister am 10. August 2004; Eintragung am 04. Oktober 2004). Die OHG mit der Firma „… OHG” wurde durch formwechselnde Umwandlung zum 01. Januar 2004 auf die L. … GmbH – die Klägerin – umgewandelt. Gegenstand des Unternehmens ist – laut Eintragung ins Handelsregister – die Herstellung und der Verkauf von Gegenständen „Rund ums Bild”, Fotozubehör, Fotohandel, Digitale Bildbearbeitung, auch auf CD, DVD, Fotoexpressdienst mit Bildgrößen aller Art, Vermittlung von Fototransfer, Verkauf von Handys und Telekommunikationsprodukten sowie Zubehör, Service „Rund ums Handy”, Garantievertragswerkstatt – Mobilfunk, Vermittlung von Funktelefonverträgen, Verkauf von Bildern, Bilderrahmen und Einrahmservice von Bildern und Gemälden, sowie Beratung zum Verkauf und Vermittlung vorgenannter Gegenstände, Verkauf und Bestellannahme von „…”-Produkten nach Katalogauswahl, Beratung und Lieferung mit Aufstell- und Installationsservice, Installationen von Elektrogroßgeräten vor Ort.

Mit Prüfungsanordnung vom 27. September 2007 ordnete der Beklagte bei der Klägerin nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) eine allgemeine Außenprüfung (Betriebsprüfung) an. Die Prüfung sollte sich auf folgende Steuerarten und Zeiträume erstrecken: Körperschaftsteuer 2004 und 2005, Umsatzsteuer 2004 und 2005, Gewerbesteuer 2004 und 2005 sowie die gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2 und § 38 Abs 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 2004 und zum 31. Dezember 2005. Sie sollte voraussichtlich in der 42. Kalenderwoche beginnen; der genaue Prüfungsbeginn sollte telefonisch mitgeteilt werden. Sollte die Buchführung mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden sein, wurde zur Vorbereitung und Durchführung der Außenprüfung gebeten, bis zum 11. Oktober 2007 einen Datenträger (CD-ROM) mit den steuerlich relevanten Daten zu übersenden.

Die Klägerin legte durch ihren Bevollmächtigten am 24. Oktober 2007 gegen die Prüfungsanordnung Einspruch ein mit dem Ziel der ersatzlosen Aufhebung. Sie trug vor, dass die Klägerin zum 01. Januar 2004 durch Formwechsel gegründet worden sei. Eine Betriebsprüfung nach einem so kurzen Zeitraum sei unüblich und unangemessen.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 teilte der Bevollmächtigte mit, dass zum 01. Oktober 2007 eine Änderung des ...

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