Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug des letzten Glieds eines Umsatzsteuerkarussells. Wissen-Müssen von den betrügerischen Aktivitäten des Karussells
Leitsatz (redaktionell)
1. Einem Unternehmer als letztem Glied in einem Umsatzsteuerkarussell kann der Vorsteuerabzug aus Lieferungen eines Scheinunternehmens „Abdeckfirma”) verweigert werden, wenn er wusste oder wissen hätte müssen, dass die Lieferungen des Scheinunternehmens in einen vom Verkäufer begangenen Mehrwertsteuer-Betrug einbezogen waren, oder wenn der Unternehmer nicht alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können und die sicherstellen, dass er nicht in einen Mehrwertsteuer-Betrug einbezogen wird. Ohnehin ist für seinen Vorsteuerabzug erforderlich, dass die Identität des Rechnungsausstellers nachgewiesen ist, der Sitz des liefernden Unternehmens tatsächlich bestanden hat, kein Leistungsbezug von einem Nichtunternehmer vorliegt und keine Scheinrechnungen ausgestellt worden sind.
2. Die Beweislast für die für den Vorsteuerabzug eines an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligten Unternehmers erforderliche „Gutgläubigkeit” trägt der Unternehmer; das gilt auch für den Negativbeweis, dass er nichts vom Tatplan bzw. der Tatbeteiligung eines Vorlieferanten wissen konnte. Hinweise auf fehlende Gutgläubigkeit können die rechtlichen, wirtschaftlichen und personellen Verbindungen zwischen den Akteuren liefern. Je näher die Verbindung zu den bei dem Karussell Handelnden ist, desto wahrscheinlicher ist die Kenntnis von der Einbindung in eine Mehrwertsteuerhinterziehung.
3. Es spricht gegen eine „Gutgläubigkeit” des Unternehmers, wenn u.a.
- der Kläger häufigen Kontakt mit den Haupttätern des Umsatzsteuerkarussells hatte und zeitweise zu ihnen gereist ist, als sie sich nach Südamerika abgesetzt hatten,
- das auch gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren nach § 153a der Strafprozessordnung mit Zustimmung des Klägers gegen eine Geldauflage eingestellt worden ist und eine Schuld des Klägers damit feststeht,
- der Kläger die Geschäfte mit dem Scheinunternehmen in erheblichem Umfang bar abgewickelt hat und diese Barzahlungen von den Tätern des Karussells als „vorteilhaft” erachtet worden sind,
- sich ein tatsächlicher Firmensitz der Abdeckfirma nicht feststellen ließ und auch vom Unternehmer nicht nachgewiesen werden konnte.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 14 Abs. 4; EWGRL 388/77 Art. 17; AO § 370
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Vorsteuerbeträgen.
Nach Steuerfahndungsprüfung und Ermittlungen der Kriminalpolizei verschiedener Dienststellen in ganz Deutschland entdeckten diese einen international agierenden Ring von Händlern, die mit Computerteilen (Prozessoren / CPU) handelten und Umsatzsteuerkarusselle aufgebaut hatten. Im Bereich des innergemeinschaftlichen Handels wurden Umsatzsteuern in Millionenhöhe hinterzogen. Das ausgedachte Modell nutzte das geltende deutsche Umsatzsteuergesetz dahingehend aus, dass eine inländische Firma von einer Firma aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union steuerfrei Computerprozessoren erwarb und diese Teile im Inland unter Einkaufspreis zuzüglich Umsatzsteuer an eine dritte Firma veräußerte, die vereinnahmte Umsatzsteuer jedoch nicht an das zuständige Finanzamt abführte. Durch ein Firmengeflecht unterschiedlicher Firmen wurden teilweise mehrere Firmen hintereinander geschaltet, von denen mehrere die Umsatzsteuern nicht abführten bzw. Vorsteuern geltend machten. Um einer Aufdeckung der Geschäfte zu begegnen, wurden die handelnden Firmen teilweise nur wenige Monate am Markt belassen bzw. sofort wieder liquidiert oder in Insolvenz gebracht. Die erzielten Gewinne wurden sofort aus dem Markt gezogen und teilweise international angelegt. Gegen die handelnden Personen wurden steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die handelnden Personen sind zwischenzeitlich – soweit sie sich nicht durch Flucht ins Ausland einer Verhaftung entzogen haben – rechtskräftig, teilweise zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.
Im Streitjahr 1998 (sowie 1996 und 1997) handelte auch der Kläger mit Computerteilen. Er besaß die Firma A und stand unter anderem in geschäftlichem Verkehr mit den aufgedeckten Firmen und deren handelnden Personen. So handelte er 1998 auch mit der Firma B.
Die Firma B wurde mit Vertrag vom 7. Juli 1997 gegründet. Am 9. Juli 1997 erfolgte der Abschluss eines Servicevertrages mit der Firma Büroservicecenter „…” in … und gleichzeitig die Anmeldung beim Finanzamt … Die Geschäftsaufnahme erfolgte zum 1. Oktober 1997.
Wirtschaftliche Aktivitäten soll die Firma 1997 von … und 1998 von den … aus entwickelt haben, nicht jedoch in … Die Post soll lediglich von … nach … versandt worden sein. Die Steuerfahndung ging daher von einem Scheinsitz aus, der im Außenverhältnis gegenüber Kunden und Behörden den Anforderungen eines formellen Firmensitzes genügen sollte.
Bei der...