Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Missbrauch bei Kündigung aller Arbeitsverträge und Neueinstellung der Arbeitnehmer zur Optimierung der Personalkosten. Zusätzlichkeitserfordernis bei pauschal besteuertem Arbeitslohn
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Kündigung sämtlicher Arbeitsverträge zum 31. Dezember und die Wiedereinstellung sämtlicher Arbeitnehmer ab dem 1. Januar des Folgejahres, wobei die Arbeitnehmer auf einen Teil des Barlohns verzichten und stattdessen Sachlohn erhalten, dient dem Zweck der Optimierung der Personalkosten durch Senkung der Sozialabgaben und ist daher nicht missbräuchlich im Sinne des § 42 AO.
2. Wird im Rahmen der Neueinstellung ein Teil des zuvor geschuldeten Barlohns durch Gewährung pauschaler Fahrtkostenzuschüsse, einer Internetpauschale und von Kindergartenzuschüssen ersetzt, ist insoweit eine Pauschalbesteuerung ausgeschlossen, da es sich um Bestandteile des ohnehin geschuldeten Arbeitslohns und nicht um zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers handelt.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 40 Abs. 2, § 3 Nrn. 33-34; AO § 42 Abs. 1
Tenor
Der Haftungsbescheid vom 17. Oktober 2007 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 16. April 2008 werden insoweit aufgehoben, als darin die Zusatzleistungen für die Verwendung von Gutscheinen für den Waren- und Dienstleistungsbezug vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2005 besteuert worden sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu ¾ und der Beklagte zu ¼ zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden.
Tatbestand
Streitig sind die Haftung der Klägerin für Lohnsteuer für den Zeitraum 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2005.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform der GmbH den Einzelhandel mit medizinischen und orthopädischen Artikeln und beschäftigte in den Streitjahren insgesamt 20 Arbeitnehmer. Das Schwesterunternehmen B. GmbH betreibt den Einzelhandel und die Herstellung von orthopädischen Erzeugnissen und beschäftigte in den Streitjahren insgesamt 30 Arbeitnehmer.
Die Klägerin wie auch das Schwesterunternehmen hatten zum 31. Dezember 2003 sämtliche Arbeitsverträge gekündigt und zum 01. Januar 2004 mit denselben Arbeitnehmern neue Arbeitsverträge abgeschlossen, in denen die Klägerin die bisherigen Löhne minderte und ihren Arbeitnehmern in Höhe der Minderung andere Lohnbestandteile gewährte. So stellte die Klägerin ihren Arbeitnehmern bis zum Betrag von 44,– EUR entweder Tankgutscheine oder Gutscheine für sonstige Waren- oder Dienstleistungsbezüge wie z. B. für Frisörbesuche zur Verfügung und gewährte des Weiteren Fahrtkostenzuschüsse, Kindergartenzuschüsse, Internetpauschalen und Geburtsbeihilfen.
Diese anderen Lohnbestandteile behandelte die Klägerin entweder steuerfrei oder versteuerte diese pauschal. Die Summe des niedrigeren Bruttoarbeitslohnes nach dem neuen Anstellungsvertrag zuzüglich der steuerfreien bzw. pauschal gezahlten Zuschüsse ergab dabei jeweils exakt den bis zum 31. Dezember 2003 nach dem alten Arbeitsvertrag geschuldeten Bruttoarbeitslohn.
Hierzu wurde in den zum 01. Januar 2004 geschlossenen neuen Arbeitsverträgen unter anderem folgendes geregelt:
„Der/ Die Angestellte erhält für seine/ihre Tätigkeit ein Gehalt in Höhe von … Euro. (…)
Daneben erhält der Angestellte folgende Leistungen: VWL AG Leistung (…) EUR, betriebliche bAV (…) EUR, Warengutschein bis 44,– EUR, Internetpauschale 50,– Euro”
In der Anlage zum Arbeitsvertrag heißt es weiter:
„Gutscheine, Waren oder Dienstleistungsbezug
Der Arbeitgeber gewährt einen regelmäßigen Gutscheins- Waren- oder Dienstleistungsbezug nach Wunsch des Arbeitnehmers. Arbeitgeber und Arbeitnehmer verständigen sich darauf, dass die Übergabe eines Gutscheines zusammen mit der monatlichen Lohnabrechnung zu erfolgen hat. Der Arbeitnehmer kann bis zum 30.11. eines jeden Jahres bestimmen, welche konkreten Waren, Dienstleistungen oder Gutscheine er im Folgejahr beziehen möchte. An diese Wahl ist der Arbeitnehmer für das folgende Kalenderjahr gebunden. Unterjährige Änderungen sind nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich.
Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer wirken darauf hin, dass der Gegenwert der bezogenen Ware, Dienstleistung oder des Gutscheines im jeweiligen Monat 44,– EUR nicht übersteigt.
Sollte der Gegenwert 44,– EUR übersteigen, wird der Wert der Besteuerung unterworfen und mit Sozialabgaben belastet. Eventuelle Nachzahlungen an Lohnsteuer sowie den Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung trägt der Arbeitnehmer.
Internetpauschale
Da der Arbeitnehmer für die betrieblichen Belange des Arbeitgebers auch seinen privaten Internetanschluss nutzt, leistet der Arbeitgeber einen pauschalen Zuschuss zu den Verbindungs- und Providerkosten des Arbeitnehmers. Dieser Zuschuss beträgt 50,– EUR im Monat.
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber auf dessen Anforderung, spätestens jedoch bis zum 28....