Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechtigung des Finanzamts zur Aufrechnung einer Insolvenzforderung gegen einen Einkommensteuererstattungsanspruch des Insolvenzschuldners bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Finanzamt darf auch dann bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung mit einer Insolvenzforderung gegen einen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Einkommensteuererstattungsanspruch des Insolvenzschuldners aufrechnen, wenn der Erstattungsanspruch erst nach Ablauf der sog. „Wohlverhaltensphase” fällig geworden ist.

2. Restschuldbefreiung tritt erst mit Rechtskraft der stattgebenden Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung ein. Das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung (§ 294 Abs. 1 InsO) endet nicht bereits mit Ablauf der Wohlverhaltensphase, sondern erstreckt sich bis zur Entscheidung über die Erteilung bzw. Versagung der Restschuldbefreiung.

 

Normenkette

AO § 226 Abs. 1; BGB § 387; InsO § 287 Abs. 2, § 294 Abs. 1, 3, § 291 Abs. 1, § 300 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 07.01.2010; Aktenzeichen VII B 118/09)

BFH (Beschluss vom 07.01.2010; Aktenzeichen VII B 118/09)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt – FA –) mit einer Insolvenzforderung gegen einen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Einkommensteuererstattungsanspruch des Insolvenzschuldners aufrechnen darf, wenn der Erstattungsanspruch nach Ablauf der sog. „Wohlverhaltensphase” fällig wird und die Aufrechnung vor Erteilung der Restschuldbefreiung erklärt wird.

Mit Beschluss vom 28. Mai 2002 eröffnete das Amtsgericht H. das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers. Im Rahmen des Schlusstermins wurde am 12. August 2003 u.a. die Einstellung des Insolvenzverfahrens beschlossen und gem. § 291 Insolvenzordnung (InsO) angekündigt, dass der Kläger Restschuldbefreiung erlangt, wenn er innerhalb der in § 287 Abs. 2 InsO bestimmten Laufzeit von 6 Jahren seinen Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt. Ferner wurde bestimmt, dass die Abtretungserklärungen wegen der pfändbaren Bezüge des Klägers auf den bestellten Treuhänder übergehen. Die Laufzeit der Abtretungserklärung betreffend die pfändbaren Bezüge des Klägers im Sinne des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO (Wohlverhaltensphase) endete am 28. Mai 2008.

Mit Bescheid vom 14. Juli 2008 setzte das FA die Einkommensteuer des Klägers für 2007 auf 0 EUR fest. Da der Arbeitgeber des Klägers Lohnsteuer in Höhe von 260 EUR einbehalten hatte, kam es zu einem Guthaben in entsprechender Höhe, welches das FA mit Einkommensteuer 1995 (Insolvenzforderung) verrechnete. Auf Antrag des Klägers erließ das FA am 8. Oktober 2008 einen entsprechenden Abrechnungsbescheid.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs trug der Kläger vor, der Bundesfinanzhof – BFH – habe mit Urteil vom 21. November 2006 VII R 1/06 (BStBl II 2008, 272) entschieden, dass eine Aufrechnung nur innerhalb der Wohlverhaltensphase zulässig sei. Die „außerhalb des Restschuldbefreiungsverfahrens” erfolgte Aufrechnung sei daher unzulässig.

Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 12. November 2008 zurück. Zur Begründung führte es aus, nach der Insolvenzordnung trete der Schuldner für die Dauer der Wohlverhaltsphase seine pfändbaren Bezüge aus einem Dienstverhältnis an den Treuhänder ab. Nach Ablauf der Wohlverhaltensphase ende die Bindung des Schuldners. Die pfändbaren Bezüge gingen nicht länger auf den Treuhänder über und der Schuldner brauche auch nicht länger die Obliegenheiten gem. § 295 InsO erfüllen. In der Zeit zwischen dem Ende der Laufzeit der Wohlverhaltensphase und der Erteilung der Restschuldbefreiung bleibe die Beschränkung der Gläubigerrechte bestehen, wie sei während der Wohlverhaltensperiode geregelt seien. Dies entspreche der Zielsetzung der Insolvenzordnung, wonach die Gläubiger nicht in das Schuldnervermögen vollstrecken könnten. Von seinen nicht erfüllten Verbindlichkeiten werde der Schuldner aber erst durch den Beschluss des Insolvenzgerichts frei. Die Aufrechnung sei daher möglich gewesen.

Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger ergänzend vor, die Aufrechnung außerhalb der Wohlverhaltensphase verstoße gegen den Wortlaut des § 287 Abs. 2 InsO und gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 13. Juli 2006 IX ZB 117/04 (NJW-RR 2006, 1554). Die Abtretungserklärung des Klägers könne keinesfalls so ausgelegt werden, dass diese auch über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus gehe. Auch der BFH habe in seinem Urteil vom 21. November 2006 VII R 66/05 (BFH/NV 2007, 1066) die Aufrechnung nur während der Wohlverhaltensphase zugelassen. Diese habe am 28. Mai 2008 geendet. Bereits am 12. August 2003 habe das zuständige Insolvenzgericht die Erlangung der Restschuldbefreiung angekündigt. Eine sofortige Restschuldbefreiung sei verfahrensrechtlich jedoch nicht möglich, da die Insolvenzgläubiger zunächst angehört werden müssten.

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