Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung der Verletzung einer Erklärungspflicht des Steuerpflichtigen bei gleichzeitiger Verletzung der Ermittlungspflicht des Finanzamts im Rahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
Leitsatz (redaktionell)
Auch wenn das Finanzamt vor Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids verpflichtet gewesen wäre, Ermittlungen anzustellen, ob Grundstückskaufvertrag und Werkvertrag über die Sanierung des erworbenen Grundbesitzes grunderwerbsteuerlich einen einheitlichen Erwerbsvorgang darstellen, der Erwerber aber die ihm bezüglich des Abschlusses des Werkvertrags obliegende Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 5 GrEStG nicht erfüllt hat, ist die daraus resultierende Verletzung der Ermittlungspflichten durch das Finanzamt im Vergleich zu der Verletzung der Anzeigepflicht durch den Erwerber als weniger schwerwiegend anzusehen, so dass die Verletzung der Ermittlungspflichten nicht der Annahme einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache entgegen steht.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG § 19 Abs. 5
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein bestandskräftiger Grunderwerbsteuerbescheid wegen des nachträglichen Bekanntwerdens neuer Tatsachen geändert werden durfte.
Mit notariellen Vertrag vom 17. November 1998 erwarb der Kläger zum Kaufpreis von insgesamt 150.000,00 DM insgesamt 8 in … belegene Eigentumswohnungen von Frau … … und Herrn … ; … mit Werkvertrag vom 18. November 1998 beauftragte der Kläger sodann die … GbR (GbR) … mit der „Gesamtsanierung” der erworbenen Eigentumswohnungen zum Festpreis von 2.000,00 DM pro qm Wohnfläche (einschließlich Umsatzsteuer); der Gesamtpreis für die Sanierung betrug (einschließlich Umsatzsteuer) 1.049.321,00 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten des Grundstückskaufvertrages und des Werkvertrages wird auf die in den Akten des beklagten Finanzamts (FA) befindlichen Fotokopien der entsprechenden Verträge Bezug genommen.
Dem seinerzeit zuständigen Finanzamt war zunächst ausschließlich der notarielle Kaufvertrag, nicht aber der Werkvertrag bekannt geworden. Auf der Grundlage des notariellen Kaufvertrages setzte das Finanzamt … deswegen mit Bescheid vom 5. März 1999 die Grunderwerbsteuer gegen den Kläger und der Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von 1.000.000,00 DM fest; dabei ging das Finanzamt … davon aus, dass der Kläger neben dem bereits erwähnten Kaufpreis von 150.000,00 DM als Gegenleistung zusätzlich durch den Grundbesitz abgesicherte Darlehensverbindlichkeiten der Veräußerer in Höhe von insgesamt 850.000,00 DM übernommen habe. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 9. März 1999 zur Niederschrift an Amtsstelle Einspruch ein und begründete diesen Einspruch sogleich damit, dass er ausweislich der Regelungen des Kaufvertrages keine Kreditverbindlichkeiten der Verkäufer des Grundbesitzes übernommen habe sondern vielmehr nach Erwerb des Grundbesitzes seinerseits Darlehensverträge über insgesamt 850.000,00 DM mit Kreissparkasse abgeschlossen habe. Die entsprechenden Darlehensverträge legte der Kläger am 9. März 1999 ausweislich der erwähnten Niederschrift der Sachbearbeiterin … des Finanzamts … vor. Das Finanzamt … änderte daraufhin den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid und setzte die Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 25. März 1999 in der Weise herab, dass nur noch der Kaufpreis in Höhe von 150.000,00 DM als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wurde.
Am 26. März 2003 erstellte der für die GbR beim Finanzamt zuständige Sachbearbeiter eine Kontrollmitteilung für die Grunderwerbsteuerstelle des Finanzamts … ; der Sachbearbeiter hatte nämlich im Rahmen seiner Bearbeitung sowohl von dem erwähnten notariellen Kaufvertrag als auch von dem erwähnten Werkvertrag Kenntnis genommen und geschlussfolgert, dass beide Verträge möglicherweise als einheitlicher Erwerbsvorgang im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts zu beurteilen sein dürften. Das Finanzamt … änderte daraufhin mit Bescheid vom 23. September 2003 gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) den Grunderwerbsteuerbescheid vom 25. März 1999, indem es als Bemessungsgrundlage nunmehr einen Betrag von 1.199.321,00 DM ansetzte (Kaufpreis 150.000,00 DM + Sanierungskosten 1.049.321,00 DM).
Zur Begründung der dagegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Der Umstand, dass er am Tage nach dem Erwerb des Grundbesitzes den Werkvertrag mit der GbR abgeschlossen habe, sei dem Finanzamt … nicht nachträglich bekannt geworden. Vielmehr habe er anlässlich der Einspruchseinlegung zur Niederschrift seinen den hier in Rede stehenden Grundbesitz betreffenden Vertragsordner der Sachbearbeiterin des Finanzamts … vorgelegt; dieser Vertragsordner habe nicht nur die von ihm abgeschlossenen Darlehensverträge mit der Kreissparkasse sondern auch den mit der GbR abgeschlossenen Werkvertra...