rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall der Vermögensbindung für einen begrenzten Zeitraum führt zur rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Grundsatz der Vermögensbindung soll verhindern, dass Vermögen, das die Körperschaft aufgrund der steuerbegünstigten Tätigkeit erworben hat, für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird.
2. Eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung liegt vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Die Prüfung des Zwecks muss ausschließlich aufgrund einer konkreten Bestimmung in einer wirksamen Satzung möglich sein.
3. Ist der Wegfall des bisherigen Zwecks als Voraussetzung des Vermögensanfalls überhaupt nicht erwähnt, ist eine Auslegung der Satzung in der Weise, dass die Regelung zu einer anderen Art des Vermögensanfalls auf den Wegfall des bisherigen Zwecks zu übertragen ist, nicht möglich.
4. Die rückwirkende Aberkennung der Gemeinnützigkeit im Falle einer Änderung bzw. Aufhebung und Neufassung der Satzung, die dem Grundsatz der Vermögensbindung nicht (mehr) entspricht, gemäß § 61 Abs. 3 AO verstößt als solche nicht gegen das Übermaßverbot.
Normenkette
AO § 55 Abs. 1 Nr. 4, § 61 Abs. 1, 3; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die in einem begrenzten Zeitraum (17. August 2012 bis 19. Dezember 2013) fehlende (ausdrückliche) Regelung in der Satzung der Klägerin zur Vermögensbindung gem. § 61 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) zu einer rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit und damit zu einem Wegfall der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG) für die Vorjahre 2005 bis 2008 führen kann.
Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 15. Juni 2004 als „...” gegründet. Alleingesellschafterin der Klägerin war in den Streitjahren der Landkreis Z. bzw. der Landkreis Y. als deren Rechtsnachfolger. Zweck und Unternehmensgegenstand der Klägerin war und ist insbesondere der Betrieb eines Klinikums.
Nachdem durch die im Jahr 2007 erfolgte Kreisgebietsreform der Landkreis Z. Teil des neu gebildeten Landkreises Y. (bestehend aus den ehemaligen Landkreisen) wurde, wurden die vormaligen Krankenhausgesellschaften der Einzelkreise in den Jahren 2008/2009 unter der D. GmbH als Holdinggesellschaft gebündelt, deren Alleingesellschafterin wiederum der Landkreis Y. war. Seit 2009 waren Gesellschafter der Klägerin zu 6 v.H. der Landkreis Y. sowie zu 94 v.H. die D. GmbH.
Im Jahr 2012 veräußerte der Landkreis Y. sowohl seine Beteiligung an der E. GmbH als auch seine Beteiligung an der Klägerin an die E. GmbH. Mit weiteren Verträgen vom 2012 veräußerten die E. mbH sowie die D. GmbH ihre Anteile an der Klägerin an die F. mit Sitz in X. Seit diesem Zeitpunkt ist die F. die Alleingesellschafterin der Klägerin.
In dieser Funktion hielt die F. als Alleingesellschafterin 2012 unter Verzicht auf alle Formen und Fristen vor einem Notar eine Gesellschafterversammlung ab, in der die bisherige Satzung der Klägerin vollständig aufgehoben wurde und durch eine neue, lediglich fünf Paragraphen umfassende Satzung ersetzt wurde. Geändert wurde u.a. die Firmierung der Klägerin. Der bisherige § 3 „steuerbegünstigte Zwecke” blieb zwar im Vergleich zu der bisherigen Satzung unverändert. Der Zweck war nach wie vor die selbstlose Förderung der Allgemeinheit auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens. § 3 der Satzung lautete (wie auch schon in der vorherigen Satzung) wie folgt:
„§ 3 Steuerbegünstigte Zwecke
(1) Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts „steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung.
(2) Die Tätigkeit der Gesellschaft ist darauf gerichtet, die Allgemeinheit auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens selbstlos zu fördern. Sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Ziele.
(3) Mittel der Gesellschaft dürfen nur für in diesem Vertrag aufgeführten Zwecke verwendet werden.
(4) Die Gesellschafter dürfen keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft erhalten. Die Gesellschafter erhalten bei ihrem Ausscheiden oder bei Auflösung der Körperschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert ihrer geleisteten Sacheinlagen zurück.
(5) Es dürfen keine Personen durch Ausgaben, die dem Zweck der Gesellschaft fremd sind oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden.”
Allerdings wurde der bisherige § 13 der Satzung (Auflösung der Gesellschaft) durch die Neufassung ersatzlos gestrichen, so dass in der Satzung ab diesem Zeitpunkt ...