rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinzuschätzung wegen nicht ordnungsmäßiger Kassenführung bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Eine Kassenführung ist nicht ordnungsgemäß, wenn mehrfach und betragsmäßig vereinzelt erhebliche Kassenfehlbeträge zu verzeichnen sind. Auch wenn eine Pflicht zur Führung eines Kassenbuchs nicht besteht, wenn ein Steuerpflichtiger zulässigerweise seinen Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung ermittelt, berechtigt die fehlende Ordnungsmäßigkeit solcher gleichwohl geführten Aufzeichnungen zur Hinzuschätzung nach § 162 AO.
Normenkette
AO § 162 Abs. 2, § 146 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 3; FGO § 96 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Unter Abänderung der Bescheide vom 23. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2010 werden entsprechend herabgesetzt
- die Einkommensteuer ausgehend von einem Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 46.770 DEM (zuvor 52.270 DEM) und
- die Umsatzsteuer ausgehend von Lieferungen und Leistungen zu 16% in Höhe von 516.976 DEM (zuvor 521.717 DEM).
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Berechnung der neu festzusetzenden Einkommen- und Umsatzsteuer wird dem Beklagten übertragen.
5. Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger 40% und im Übrigen der Beklagte zu tragen.
6. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Hinzuschätzung.
Der Kläger war als Einzelunternehmer in der Baubranche tätig. Seinen Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) i. S. d. § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Seine Steuererklärungen gab der Kläger im Februar 2003 ab.
Wegen einer im Jahr 2002 telefonisch angebrachten anonymen Anzeige, wonach der Kläger üblicherweise Bauleistungen ohne Rechnungserstellung erbringen würde, führte das damalige Finanzamt … vom Februar 2007 bis November 2008 beim Kläger eine Betriebsprüfung (Bp) durch.
Der Prüfer stellte fest, dass viele Bargeschäfte getätigt und monatlich Kassenbücher geführt worden sind. Die Tageseinnahmen wurden einzeln ermittelt, die Kassen- und Bankbelege und das Journal in Dateiform aufbewahrt. Ein Rechnungseingangs- und ausgangsbuch sowie ein Bestandsverzeichnis für das Anlagevermögen wurden geführt. Die Belegführung war geordnet, die Belege enthielten Kontierungsvermerke. Inventuren wurden durchgeführt. Unterlagen über die Bestandsaufnahme des Vorratsvermögens und Saldenlisten für Forderungen lagen vor. Die vom Prüfer durchgeführte Umsatz- und Vorsteuerverprobung blieb ebenso ohne Beanstandung wie die Auswertung von Kontrollmitteilungen über teilweise erfolgte Barzahlungen, die der Kläger als Einnahmen erfasst hatte. Der Prüfer forderte von der Ehefrau des Klägers deren private Girokontounterlagen bei der „N.-Bank” und das Konto des Klägers bei der „D-Bank” an. Der Prüfer verneinte die Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen wegen unstreitiger Kassenfehlbeträge sowie Falschbuchungen zu Entnahmen per Scheck. Während sich nach der ersten vom Prüfer erstellten Geldverkehrsrechnung bei einem Privatverbrauch von ca. 84.000 DEM ein Fehlbetrag i.H.v. ca. 60.000 DEM ergeben hatte, verblieb nach der dem Kläger übersandten zweiten Geldverkehrsrechnung u.a. bei Ansatz eines Privatverbrauchs von ca. 56.000 DEM ein Fehlbetrag von ca. 30.000 DEM. Die letzte handschriftliche Geldverkehrsrechnung des Prüfers ergab einen Fehlbetrag i.H.v. 8.700 DEM, wobei im Wesentlichen die dem Kläger zur Verfügung stehenden Barmittel erhöht worden waren. Im Ergebnis der Prüfung blieben ausweislich der vorliegenden Kontoauszüge (Bl. 126 und 127 Bp-Arbeitsakte) die Geldeingänge auf dem Konto des Klägers bei der „D-Bank” vom 30. März 2001 i.H.v. 2.000 DEM und am 9. April 2001 i.H.v. 1.500 DEM (nicht 1.525 DEM) ungeklärt. Letztlich schätzte der Prüfer für das Streitjahr brutto einen Erlös i.H.v. 9.000 DEM hinzu, wobei es sich um eine von zwei Prüfungsfeststellungen handelte; die andere Prüfungsfeststellung betraf als steuerpflichtig angesehene Einnahmen der Ehefrau.
Das damalige Finanzamt … folgte dem Prüfer und erließ unter dem 23. Dezember 2008 die streitgegenständlichen Änderungsbescheide. Im Einspruchsverfahren half das damalige Finanzamt … dem Einspruch hinsichtlich der Einnahmen der Ehefrau ab und wies in seiner Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2010 den Einspruch im Übrigen, d.h. wegen der vorliegend streitigen Hinzuschätzung, zurück.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vorliegenden Klage.
Der Kläger hat im Klageschriftsatz vom 11. August 2010 (sinngemäß) beantragt,
die Bescheide vom 23. Dezember 2008 über Einkommensteuer 2001 und Umsatzsteuer 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2010 aufzuheben.
Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 10. Dezember 2010 beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das während des Klageverfahrens am 1. Juni 2013 durch ge...