Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstufung eines Betriebs durch das Statistische Landesamt als verarbeitendes Gewerbe als Grundlagenbescheid für die Investitionszulage. Verfassungswidrigkeit der Annahme einer bloßen „weichen” Bindungswirkung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die durch das Statistische Landesamt vorgenommene Einordnung eines Betriebs in die Klassifikation der Wirtschaftszweige ist als Grundlagenbescheid i.S. von § 171 Abs. 10 AO (entgegen der Auffassung des BFH) bindend für die investitionszulagenrechtliche Beurteilung, wenn sie nicht offensichtlich falsch ist.

2. Denn durch die Annahme eines bloßen sog. „weichen” Grundlagenbescheids (bloße grundsätzliche Übernahme der nicht als Grundlagenbescheid anzusehenden Einordnung für die Investitionszulage) entsteht eine verfassungswidrige Rechtsschutzlücke (hier: Einordnung eines Ersatzbrennstoffe herstellenden Betriebes als verarbeitendes Gewerbe (Recycling); Abkehr von dieser Auffassung durch den „Task Force”-Ausschuss beim Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften).

 

Normenkette

InvZulG 2005 § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AO § 171 Abs. 10; GG Art. 19 Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.09.2011; Aktenzeichen III R 14/09)

BFH (Urteil vom 22.09.2011; Aktenzeichen III R 14/09)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Klägerin im Jahre 2005 dem verarbeitenden Gewerbe im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Investitionszulagengesetz 2005 zuzuordnen war.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Klägerin begehrt Investitionszulage für das verarbeitende Gewerbe.

Die Klägerin gehört zur C.-Gruppe. Zu dieser Gruppe wiederum gehört unter anderem die C. GmbH. Die C. GmbH beschloss Ende 2004, in die Herstellung von Ersatzbrennstoffen zu investieren. Zu diesem Zwecke gründete sie am 03. Januar 2005 die Klägerin, die nach einem Beschluss vom 03. Februar 2005 von der C. GmbH die Anlage zur Aufarbeitung von Abfällen und zur Produktion von Brennstoffen übernehmen sollte. Am 16. Dezember 2004 hatte die C. GmbH die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu einer wesentlichen Änderung der Abfallsortieranlage (Erweiterung um eine Teilanlage zur Herstellung von Ersatzbrennstoffen) beantragt, den Antrag in der Folgezeit mehrfach ergänzt und am 14. Juli 2005 die Genehmigung erhalten. Im Jahre 2005 tätigte die Klägerin diverse Investitionen (Neubau Stahlhalle, Hof- und Wegebefestigung sowie verschiedene Großgeräte). Während die Klägerin Gebäude und Anlagen an die C. GmbH vermietete, übertrug mit Werkvertrag vom 01. September 2006 die C. GmbH der Klägerin das Recyceln von Abfällen. Der Landkreis … als immissionsschutzrechtlich zuständige Behörde rechnete die Anlage weiterhin der C. zu.

Am 13. Januar 2006 beantragte die Klägerin für das Jahr 2005 Investitionszulage nach § 2 InvZulG 2005 in Höhe von insgesamt EUR 306.199,29 für Gebäude (Zulagensatz 12,5 %) sowie bewegliche Wirtschaftsgüter (Zulagensatz 25 %). Sie gab als ausgeübte Tätigkeit „Herstellung von Ersatzbrennstoffen” an.

Am 02. März 2006 stufte das Statistische Landesamt die Klägerin als Recyclingbetrieb nach der Klasse 3720 (Recycling von sonstigen Altmaterialien und Reststoffen) und somit als Betrieb des verarbeitenden Gewerbes ein.

Der Beklagte führte eine Investitionszulage-Sonderprüfung durch und nahm Kontakt zum Statistischen Landesamt auf. Finanzverwaltung und Statistisches Landesamt kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Herstellung von Ersatzbrennstoffen kein Recycling sei, sondern als thermische Abfallbeseitigung (WZ 90.02.2) zu qualifizieren sei. Die Einstufung wurde nicht geändert.

Mit Bescheid vom 16./ 19. März 2007 lehnte der Beklagte die Festsetzung von Investitionszulage ab. Der am 05. April 2007 eingegangene Einspruch blieb erfolglos. Gegen den Einspruchsbescheid vom 24. Juli 2007 richtet sich die am 23. August 2007 eingegangene Klage.

Die Klägerin ist zuvörderst der Auffassung, die Herstellung von Ersatzbrennstoffen sei nach der in dem Streitjahr noch geltenden Rechtslage noch als Recycling einzustufen. Soweit der für Zuordnungsfragen zuständige Ausschuss „Task Force” beim Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften sie unter Abkehr von bisheriger Auffassung nunmehr der Abteilung 90 der Klassifikation zuordne, sei das nicht bindend.

Zudem habe sie, die Klägerin, tatsächlich nicht nur Ersatzbrennstoffe hergestellt. Sie habe sich zunächst auf Ersatzbrennstoffe konzentrieren wollen. Sie habe dann aber, da sich auf den Lägern heizwertreiche Fraktionen gehäuft hätten, umgeplant und sich seit 2006 wieder auf das klassische Recycling konzentriert. Auch dafür diene die angeschaffte Technik. Wenn der Beklagte auch nur ansatzweise auf ihren Vortrag eingegangen wäre, hätte sie auch eine Wertschöpfungsquote ermittelt.

Schließlich – hilfsweise – macht die Klägerin geltend, dass der Investitionsbeginn für das gesamte Vorhaben vor März 2005 liege. Die Übergangsregelung des BMF-Schreibens vom 21. Februar 2005 (IV C 8 – InvZ 1271 – 7/05, BStBl. 2005 I 503) wirke dah...

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