Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung Gewerbebetrieb – freiberufliche Tätigkeit bei einer Praxis für Anästhesiologie mit angeschlossenem Druckkammerzentrum. Eigenverantwortlichkeit des Arztes. Tätigkeitsmittelpunkt
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Praxis für Anästhesiologie mit angeschlossenem Druckkammerzentrum stellt Mangels Eigenverantwortlichkeit einen Gewerbebetrieb dar, wenn der Berufsträger und Praxisinhaber Teile der ärztlichen Tätigkeit – im Streitfall unter anderem einen mobilen Anästhesiedienst – durch fachlich vorgebildete Angestellte ausführen lässt, ohne deren Tätigkeit zu überwachen oder dabei selbst leitend tätig zu sein.
2. Ein qualitativer Schwerpunkt der Tätigkeit eines Anästhesisten liegt in der Durchführung und Begleitung von Operationen. Ein zur Vor- und Nachbereitung der mit den Patienten geführten Vorbereitungsgespräche genutztes häusliches Arbeitszimmer ist daher nicht Mittelpunkt der Tätigkeit des Anästhesisten.
Normenkette
EStG 1997 § 15 Abs. 2 S. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b; GewStG 1991 § 2 Abs. 1 S. 2; GewStG 1999 § 2 Abs. 1 S. 2
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 16.08.2007; Aktenzeichen XI B 155/06) |
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Einkunftsart der Klägerin (selbstständig oder gewerblich), eine hieraus resultierende Buchführungspflicht und um die Höhe der steuerlichen Anerkennung von Aufwendungen für ein betrieblich genutztes Zimmer im Wohnhaus der Gesellschafter der Klägerin.
Die Eheleute … und … betreiben als Gesellschafter der Klägerin eine Gemeinschaftspraxis für Anästhesiologie in …. Daneben betreiben sie in einer gesonderten Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Druckkammerzentrum, welches den Praxisräumen für Anästhesiologie angeschlossen war.
Nach einer Betriebsprüfung kam der Beklagte zu dem Ergebnis, dass die Klägerin keine Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz – EStG –, sondern gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 EStG erziele und diese insgesamt der Gewerbesteuer zu unterwerfen seien. Ferner begrenzte der Beklagte die seitens der Gesellschafterin … geltend gemachten Kosten für ein betrieblich genutztes Zimmer im Wohnhaus der Praxisinhaber auf einen Betrag von 2.400 DM jährlich, da es sich nach seiner Ansicht um Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer handele, die der Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG unterlägen. Der Beklagte erließ am 27. September 2002 für die Jahre 1997 bis 2000 entsprechende Gewerbesteuermessbescheide und Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, am 12. März 2003 einen Gewerbesteuermessbescheid für 2001 und am 26. Februar 2003 einen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2001 – diesen änderte er am 28. März 2003, in dem er den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob. Aufgrund der Prüfungsfeststellungen und der Höhe des festgestellten Gewinns wies der Beklagte mit Bescheid vom 26. Februar 2003 ab dem Wirtschaftsjahr 2004 auf die Buchführungspflicht nach § 141 Abgabenordnung – AO – hin.
Gegen diese Bescheide wendete sich die Klägerin mit fristgerechten Einsprüchen, die vom Beklagten mit Einspruchsbescheiden vom 12. Mai 2003 zurückgewiesen wurden. Hiergegen richten sich die am 11. Juni 2003 erhobenen Klagen, die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 1 K 982/03 verbunden worden sind.
Nach Ansicht der Klägerin stellt sich die von den Praxisinhabern ausgeübte Tätigkeit als selbstständige Ausübung der Heilkunde im Sinne der Katalogberufe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG dar und sei zum Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit zu zählen. Die vom Beklagten aufgestellten Anforderungen an in der Rechtsform einer Personengesellschaft tätigen Freiberufler, insbesondere bei der Delegation von Aufgaben und der arbeitsteiligen Organisation der Tätigkeit, seien mit der Abgrenzung der einzelnen Einkunftsarten untereinander nicht vereinbar. Eine Schlechterstellung der in der Rechtsform einer Personengesellschaft tätigen Freiberufler könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Es finde sich hierfür auch kein sachlicher Grund. Selbst wenn man annehmen würde, dass zum Teil eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt werde, wäre eine Umqualifizierung der gesamten freiberuflichen Einkünfte in gewerbliche Einkünfte unverhältnismäßig, da allenfalls 15 % der Betätigung – Mithilfe einer fachlich vorgebildeten Arbeitskraft – eine gewerblich unterstellte Tätigkeit sein könnte. Darüber hinaus seien die Tätigkeiten derart miteinander verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingten und steuerlich danach zu qualifizieren sei, welches Element (gewerblich/freiberuflich) vorherrsche.
Hier liege ein freiberuflicher Charakter vor. Soweit Mitarbeiter beschäftigt worden seien, seien diese unter Aufsicht und Verantwortung der Berufsträger tätig geworden. Dies sei nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG zulässig und ändere n...