Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Bindung des Steuerpflichtigen an einen vom FA in einer Prüferbilanz gebildeten unrichtigen Bilanzansatz nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Grundsätze des formellen Bilanzzusammenhangs gelten nur zwischen Bilanzen, die der Steuerpflichtige selbst aufgestellt bzw. berichtigt hat und die der Veranlagung des Vorjahres zu Grunde lagen.
2. Besteht die Verpflichtung zur Bilanzberichtigung nicht und weicht das FA (hier im Rahmen einer Betriebsprüfung) fehlerhaft von der Bilanz des Steuerpflichtigen ab, wird dieser Bilanzierungsfehler nicht Teil der maßgeblichen Steuerbilanz, d. h. insoweit entsteht keine von der Bilanz des Steuerpflichtigen abweichende „Veranlagungsbilanz”, die in den Folgejahren über den Bilanzenzusammenhang korrigiert werden könnte. In einem solchen Fall muss vielmehr die (richtige) Bilanz des Steuerpflichtigen für den Betriebsvermögensvergleich im Folgejahr herangezogen werden.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 2 S. 1; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4, § 266 Abs. 2
Tenor
Der Bescheid über Körperschaftsteuer für 2008 vom 5. August 2013 in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 12. August 2014 wird dahingehend abgeändert, dass die Körperschaftsteuer unter Berücksichtigung eines um EUR verminderten Gesamtbetrags der Einkünfte herabgesetzt wird.
Der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 vom 5. August 2013 in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 12. August 2014 wird dahingehend abgeändert, dass der Gewerbesteuermessbetrag unter Berücksichtigung eines um EUR verminderten Gewerbeertrags vor Verlustabzug herabgesetzt wird.
Die Berechnung der festzusetzenden Beträge wird dem Beklagten übertragen, der das Ergebnis der Neuberechnung den Beteiligten unverzüglich formlos mitzuteilen hat.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bzw. wann Ausgleichsansprüche im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, bei der die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Organgesellschaft war, des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft als Verbindlichkeiten zu bilanzieren sind, nachdem auf Grund einer Betriebsprüfung beim Organträger geänderte Umsatzsteuerbescheide ergangen waren, die (zunächst) zu einer Rückzahlungsverpflichtung des Organträgers an den Beklagten geführt hatten.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die B, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 1. Juni 1995 gegründet. Unternehmensgegenstand war jedenfalls bis zum Streitjahr 2008 die Lagerung, Handel und Verarbeitung von Körnerfrüchten, Futtermitteln und Nährmitteln jeglicher Art sowie der Landhandel im weitesten Sinne und Handel mit landwirtschaftlichem Bedarf. Alleinige Gesellschafterin war die D mit Sitz in Z, welche zunächst unter „E” mit Sitz in Y firmierte. Seit dem Streitjahr 2008 ist C der alleinige, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführer beider Gesellschaften. Auch davor war die Geschäftsführung jeweils personenidentisch.
Zwischen der B und der D wurde ausweislich der Eintragungen im Handelsregister am 19. November 2002 mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag geschlossen. Zudem bestand ab dem 1. Januar 2003 zwischen beiden Gesellschaften eine umsatzsteuerliche Organschaft, bei der die B die Organgesellschaft und die D die Organträgerin war.
Soweit die B in den Jahren 2004 und 2005 Gutschriften erteilte, erfasste sie mit Gutschriftenerteilung den sich hieraus ergebenden Vorsteueranspruch der Organträgerin als Forderung ihrerseits gegenüber der Organträgerin.
Die D firmierte im Jahr 2015 in „A” um. Auf Grund des Verschmelzungsvertrages vom 30. Januar 2018 und den Zustimmungsbeschlüssen der Gesellschafterversammlungen vom selben Tag wurde die B auf die A als übernehmender Rechtsträger verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 9. Februar 2018 in das Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft eingetragen.
Der Beklagte führte bei der B (nachfolgend als Organgesellschaft bezeichnet), sowie auch der D in der Zeit vom 12. Dezember 2007 bis 18. Juni 2008 eine steuerliche Betriebsprüfung durch, die sich auf die Jahre 2002-2005 erstreckte. Der Betriebsprüfungsbericht, auf den hinsichtlich der einzelnen Feststellungen verwiesen wird, datiert auf den 24. Juni 2008.
Der Beklagte stellte fest, dass die Organgesellschaft den an sie leistenden Unternehmen in den Jahren 2004 und 2005 Gutschriften mit Umsatzsteuerausweis erteilt hatte. Ein Teil der erstellten Gutschriften habe jedoch nicht die Angabe der Steuernummern der liefernden Unternehmen enthalten, so dass die D als Organträgerin insoweit nicht zum Vorsteuerabzu...