Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch für die volljährige Tochter bei Unterbrechung der Berufsausbildung wegen der Geburt eines eigenen Kindes. Treu und Glauben bei Kindergeldrückforderung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein volljähriges Kind, das sich als Arbeitnehmer in einem Ausbildungsverhältnis befindet und nach der Geburt eines eigenen Kindes zur Wahrnehmung seiner Elternzeit seine Berufsausbildung für zwei Jahre in vollem Umfang unterbricht, befindet sich in dieser Zeit kindergeldrechtlich nicht in Berufsausbildung. Das gilt auch dann, wenn mit dem Arbeitgeber die Fortsetzung der Ausbildung nach der Beendigung der Elternzeit vereinbart ist.
2. Dass die Elternzeit kindergeldrechtlich anders behandelt wird als Mutterschutzzeiten, begründet keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Bei Geburt eines eigenen Kindes werden Kinder, die sich in einer Lehre befinden, auch nicht anders behandelt als Kinder, die studieren.
3. Hat die Familienkasse für die volljährige Tochter während deren Elternzeit zunächst Kindergeld weitergezahlt, ist sie später zu einer rückwirkenden Aufhebung der Kindergeldfestsetzung berechtigt. Die Grundsätze von Treu und Glauben können einer Rückforderung jedenfalls dann nicht entgegen stehen, wenn sich die Behauptung der Klägerin, die Familienkasse sei über die elternzeitbedingte Unterbrechung der Berufsausbildung der Tochter informiert worden und habe trotzdem Kindergeld weitergezahlt, nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen lässt.
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 70 Abs. 2; AO 1977 § 37 Abs. 2; BGB § 242; MuSchG § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1; BErzGG § 15; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Kindergeld für die Zeit von Juli 2001 bis Juli 2002 für das Kind Diana ….
Die Klägerin bezog Kindergeld für ihre am …. Dezember 1981 geborene Tochter Diana …. Das Geld wurde auf Wunsch der Klägerin direkt auf ein Konto ihrer Tochter ausgezahlt. Im April 2001 gebar Diana ein Kind. Im August 2002 erfuhr der Beklagte, dass Diana ihre Ausbildung unterbrochen hatte und sich im Anschluss an den achtwöchigen Mutterschutz im Erziehungsurlaub befand. Im April 2003 setzte Diana ihre Ausbildung fort. Der Beklagte hob die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 23. Oktober 2003 mit Wirkung ab Juli 2001 auf und forderte das bereits gezahlte Kindergeld für die Zeit von Juli 2001 bis Juli 2002 i.H.v. 1.906,30 EUR zurück.
Dagegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage.
Zur Begründung trägt sie vor, eine Unterbrechung der Ausbildung aufgrund des gesetzlichen Mutterschutzes lasse den Anspruch auf Kindergeld fortbestehen. Dies müsse auch für den Erziehungsurlaub gelten, wenn – wie im Streitfall – der Erziehungsurlaub sofort im Anschluss an den Mutterschutz genommen und die Ausbildung nach dem Ende des Erziehungsurlaubs fortgesetzt werde. Auch Studentinnen, die ihr Studium wegen der Geburt eines Kindes ein Semester aussetzten, erhielten ohne Unterbrechung auch für dieses Semester Kindergeld. Dies stelle gegenüber der Klägerin, deren Tochter sich in einer Lehre befinde, eine gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) verstoßende Ungleichbehandlung dar.
Außerdem sei sowohl die Schwangerschaft der Tochter als auch ihre Entscheidung, Erziehungsurlaub zu nehmen, dem Beklagten bereits im Januar 2001 mitgeteilt worden. Entsprechend seiner Rechtsauffassung hätte er deshalb bereits nach dem Ende des Mutterschutzes die Kindergeldfestsetzung aufheben müssen. Das gleichwohl weiter gezahlte Kindergeld sei verbraucht worden. Sie, die Klägerin, habe auf die Richtigkeit der Kindergeldfestsetzung vertrauen dürfen, so dass die rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheides und die Rückforderung des überzahlten Betrages aus Gründen des Vertrauensschutzes rechtswidrig seien.
Die Klägerin beantragt deshalb,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 23. Oktober 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. November 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Tochter der Klägerin erfülle die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) für die Gewährung von Kindergeld im Streitzeitraum nicht. Nach Ablauf der gesetzlichen Mutterschutzfrist gemäß §§ 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) habe sie sich nicht mehr in Ausbildung befunden. Zur Berufausbildung zählten nur Zeiten der Unterbrechung wegen Mutterschaft, nicht aber wegen Kindesbetreuung im Rahmen der sog. Elternzeit ab Juli 2001. Auch der Umstand, dass sich Diana mit ihrem Ausbildungsbetrieb über die Fortsetzung ihrer Ausbildung nach Ablauf der Elternzeit einig gewesen sei, ändere daran nichts.
Mit Beschluss vom 26. Januar 2005 ist der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Berichterstatter ...