Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutz bei Pfändung von zur Berufsausübung nötigen Gegenständen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Antrag eines Gewerbetreibenden an das FA, die Pfändung verschiedener zur Berufsausübung nötiger Gegenstände aufzuheben, ist als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung auszulegen.
2. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob das FA den Vollstreckungsschuldner hinsichtlich der gepfändeten und zur Berufsausübung nötigen Sachen (hier: PKW, EDV-Anlage, Telefon-Faxanlage) auf im Haushalt vorhandene Ersatzgegenstände verweisen darf, die aber möglicherweise im Eigentum der Ehefrau stehen und dem Vollstreckungsschuldner nicht ohne weiteres zur verfügung stehen.
3. Auf das Pfändungsverbot bezüglich Gegenständen, die zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit benötigt werden, nach § 811 Nr 5 ZPO darf sich der Vollstreckungsschuldner unabhängig von den Eigentumsverhältnissen berufen.
Normenkette
AO 1977 § 295; FGO § 69 Abs. 2, 4 S. 2 Nr. 2, § 114 Abs. 5; ZPO § 811 Nr. 5
Gründe
I.
Der Antragsteller -Ast.- schuldet dem Antragsgegner -Ag.- Steuern und sonstige Abgaben zumindest i.H. von 69.294,63 DM (Stand: 14. September 1999). Wegen dieser Abgaben pfändete der Ag. am 2. September 1999 diverse Gegenstände, u. a. einen PKW VW Golf, einen PC samt Peripheriegeräte (Drucker, Scanner, Bildschirm) sowie ein Telefon-Fax-Gerät (Vollstr, Bl. 255).
Mit Schreiben vom 2. September 1999 (Vollstr., Bl. 264) wandte sich der Ast. an den Ag. und legte gegen die Pfändung Einspruch ein. Er machte geltend, die gepfändeten Gegenstände seien zur Ausübung seines Gewerbes unabdingbar.
Mit Schreiben vom 22. September 1999 (Vollstr, Bl. 272) hob der Ag. die Pfändung bzgl. des Telefon-Fax-Gerätes auf. Eine weitergehende Aufhebung der Pfändung lehnte der Ag. mit der Begründung ab, im Haushalt des Ast. sei sowohl ein weiterer PKW als auch ein weiterer PC vorhanden. Mithin seien die gepfändeten Sachen nicht unabdingbar zur Gewerbeausübung.
Mit Schreiben vom 2. September 1999 wandte sich der Ast. an das Finanzgericht.
Er stellte den als einstweilige Anordnung bezeichneten Antrag (Bl. 1),
das Finanzgericht möge die Pfändungsverfügung vom 2. September 1999 aufheben.
Der Ast. macht geltend, die gepfändeten Sachen seien zur Gewerbeausübung unbedingt erforderlich. Der gepfändete PKW sei der Sparda-Bank Saarbrücken zur Sicherheit übereignet. Der PC samt Peripheriegeräten stehe im Eigentum seiner Ehefrau (Bl. 15, 16).
Der Ag. beantragt (Bl. 13),
- den Antrag auf einstweilige Anordnung als unzulässig zu verwerfen
- hilfsweise: den Antrag als einen solchen nach § 69 Abs. 3. Finanzgerichtsordnung -FGO- auszulegen und alsdann als unbegründet zurückzuweisen.
Der Ag. macht geltend, die gepfändeten Sachen seien nicht zur Gewerbeausübung unabdingbar, da im Haushalt des Ast. sowohl ein weiterer PKW als auch ein weiterer PC vorhanden seien. Soweit die gepfändeten Gegenstände im Eigentum Dritter (Bank, Ehefrau) stünden, könne der Ast. selbst keine Rechte hieraus ableiten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Vollstreckungsakten des Ag. verwiesen.
II.
1. Der Antrag, die am 2. September 1999 erfolgte Pfändung verschiedener Gegenstände aufzuheben, ist bei verständiger Auslegung als Antrag auf Aussetzung der fraglichen Pfändung anzusehen.
Nach § 114 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- kann zwar das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragsteilers erschwert werden könnte. Einstweilige, Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründer nötig erscheint (§ 114 Abs. 1 Satz 2 FGO). Soweit jedoch die Finanzbehörde eine Pfändung bewirkt, ist einstweiliger Rechtsschutz grundsätzlich mittels eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung zu erwirken (§ 114 Abs. 5 FGO dazu auch BFH, Beschluss vom 26. Juni 1990 VII B 161/89, BFH/NV 1991, 393).
In diesem Sinne versteht der Senat den Antrag des Ast. als einen solchen auf Aussetzung der Vollziehung der fraglichen Pfändungsverfügung. Er verweist insoweit auf seine Ausführungen im Beschluss vom 29. Juli 1999, 1 V 175/99.
Der Antrag in diesem Sinne ist nach § 69 Abs. 4 Nr. 2 FGO zulässig, da die Vollstreckung nicht nur droht, sondern bereits begonnen hat.
2. Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 FGO).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH –, der sich der erkennende Senat bisher immer angeschlossen hat, bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigk...