rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der im EU-Ausland von einem Landwirt gezahlten Umsatzsteuer bei der Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Falle des innergemeinschaftlichen Erwerbs eines seine Umsatzsteuer nach Durchschnittsätzen ermittelnden Landwirts in Folge des Überschreitens der sog. Erwerbsschwelle des § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG ermittelt sich die Bemessungsgrundlage durch Einbezug der im EU-Ausland entrichteten Umsatzsteuer.
2. Die gesetzlich nicht geschuldete ausländische Umsatzsteuer bedingt die Nichtanwendbarkeit der Regelung des § 10 Abs. 1 S. 2 UStG; denn es handelt sich um keine „Umsatzsteuer” i. S. d. § 10 Abs. 1 S. 2 UStG, mit der nur die „gesetzlich geschuldete” Umsatzsteuer gemeint sein kann. Er hat vielmehr auch diesen Betrag aufgewendet, „um die Leistung zu erhalten”.
Normenkette
UStG 1999 § 1 Abs. 1 Nr. 5, § 1a Abs. 3 Nr. 2, § 24 Abs. 1 S. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 3
Tenor
1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger erzielte in den Streitjahren als Einzelunternehmer Umsätze aus einem landwirtschaftlichen Betrieb (Haltung von Schweinen, Ackerbau). Er ermittelte seine Umsatzsteuer gemäß § 24 UStG nach Durchschnittssätzen. Für diesen Betrieb erwarb der Kläger Dünger, Kraftstoffe und andere Betriebsmittel teilweise in Luxemburg und in Frankreich.
2005 wurde für 2000 bis 2003 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Der Prüfer beanstandete u.a., dass 2001 bis 2003 die sog. Erwerbsschwelle des § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG überschritten ist. Er unterwarf die entsprechenden Umsätze der Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG (Tz 3.2 des Prüfungsberichts vom 26. April 2006) und bezog dabei die im Ausland gezahlte Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage ein (2001: 6.310,08 DM; 2002: 2.787,14 EUR; 2003: 2.463,73 EUR, Bl. 26). Am 24. Juli 2006 erließ der Beklagte dementsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2001 bis 2003. Am 11. August 2006 legte der Kläger dagegen Einsprüche ein. Am 21. Dezember 2006 erließ der Beklagte zur Teilabhilfe geänderte Umsatzsteuerbescheide 2001 bis 2003 (Bl. 14 ff. Rbh). Die aufrecht erhaltenen Einsprüche wies der Beklagte mit Entscheidung vom 17. November 2008 als unbegründet zurück.
Am 11. Dezember 2008 hat der Kläger Klage erhoben. Er beantragt sinngemäß (Bl. 24),
unter Änderung der Bescheide, jeweils vom 21. Dezember 2006 in Form der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2008, die Umsatzsteuer herabzusetzen und zwar
- ▹ 2001 um 1.009,61 DM
- ▹ 2002 um 445,94 EUR und
- ▹ 2003 um 394,20 EUR.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG gelte alles als Entgelt, was der Leistungsempfänger aufwende, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Dazu gehöre auch die ausländische Umsatzsteuer. Denn nach dem europäischen Gemeinschaftsrecht setze sich beim innergemeinschaftlichen Erwerb die Bemessungsgrundlage aus denselben Elementen zusammen wie im nationalen Recht (Art. 83 MwStSystRL). In die Bemessungsgrundlage seien einzubeziehen: Steuern, Zölle, Abschöpfungen und andere Abgaben, mit Ausnahme der Mehrwertsteuer sowie bestimmte Nebenkosten (Vogel / Schwarz / Huschens, UStG, Einführung in das europäische Gemeinschaftsrecht, Rz 131). Entsprechendes gelte für die Berechnung der Erwerbsschwelle. Das vereinbarte (Netto-) Entgelt sei auch dann maßgebend, wenn die Steuer in Rechnung gestellt werde (Sölch / Ringleb / Mößlang, UStG, § 1a UStG Rz 33; Bl. 24).
Die Umsatzsteuer besteuere die Umsätze. Ihr Grundtatbestand sei der Leistungsaustausch. Die 6. EG-Richtlinie und der deutsche Gesetzgeber hätten daher die Gegenleistung als Bemessungsgrundlage gewählt (Vogel/Schwarz, UStG, 2008, § 10, Rz. 9). Gegenleistung sei nur, was der Leistungsempfänger vom Leistenden erhalte. Dazu gehöre nicht die Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer werde nach nationalem Recht und nach dem Gemeinschaftsrecht vom Grundsatz der Neutralität getragen. Daher gehe dem innergemeinschaftlichen Erwerb gewöhnlich eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung voraus, da der innergemeinschaftliche Erwerb nach dem Bestimmungslandprinzip besteuert werde.
Die 6. EG-Richtlinie wende sich zwar an die Mitgliedsstaaten und gelte nicht direkt für den Steuerpflichtigen. Die Steuerpflichtigen könnten sich jedoch auf diese Bestimmungen vor den nationalen Gerichten berufen (EuGH vom 6. Juli 1995, UR 1995, 404; vom 25. Mai 1993, UR 1993, 309). Aus dieser unmittelbaren Wirkung der Richtlinien ergebe sich ein Anwendungsvorrang gegenüber anderslautenden nationalen Bestimmungen (Zeuner, UStG, 8. Aufl., Einl. Rdn 10; Bl. 34 f.).
Der Beklagte beantragt (Bl. 32),
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung im Übrigen trägt er vor, der in § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG definierte Entgeltsbegriff lasse sich nicht mit Hinweisen auf das Gemeinschaftsrecht einschränken. So gehe es vorliegend nicht um Art. 28 a Abs. 1 a Satz 2 der 6. EG-Richtlinie. Nach dieser Vorschrift bleibe di...