Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabenordnung; Pfändungsschutz über die Pfändungsfreigrenzen hinaus
Leitsatz (redaktionell)
Der alleinstehende Kl. bezog Arbeitslosengeld, von dem das FA den über die Pfändungsfreigrenze hinausgehenden Betrag gepfändet hatte. Der Kl. beantragte daraufhin Pfändungsschutz nach § 850 f ZPO, weil ihm infolge der Belastung mit monatlicher Wohnungsmiete von rd. 1000 DM für seine 3 ZKB-Wohnung nur noch etwa 200 DM zum Leben verblieben. Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, dem Kl. sei es zuzumuten, durch die Anmietung einer preisgünstigeren Wohnung die Differenz zwischen Miete und pfändungsfreiem Betrag zu vergrößern (FG Saarland, Urteil vom 7.12.1999, 1 K 130/99).
Normenkette
AO § 319; ZPO §850 f.
Tatbestand
Der Kläger, der z.Zt. arbeitslos ist, schuldet dem Beklagten Steuern und sonstige Abgaben i.H. von zumindest 14.534,47 DM (Stand: 9. April 1999). Wegen dieser Abgaben brachte der Beklagte am 23. Februar 1999 eine Pfändungsverfügung gegenüber dem Arbeitsamt … aus (Vollstr, Bl. 183). Aufgrund dieser Verfügung zahlt das Arbeitsamt … seit 1. April 1999 von der dem Kläger zustehenden Sozialleistung (Arbeitslosengeld) wöchentlich 81,20 DM an den Beklagten aus (Vollstr, Bl. 192).
Mit Schreiben vom 16. März 1999 wandte sich der Kläger an den Beklagten mit dem Ziel der Aufhebung der Pfändung. Gleichzeitig beantragte er, ihm vom pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens (bzw. der entsprechenden Sozialleistung) einen Teil nach § 850 f Zivilprozessordnung -ZPO- zu belassen.
Mit Schreiben vom 22. März 1999 (Vollstr, Bl. 193) lehnte der Beklagte sowohl den Antrag auf Aufhebung der Pfändung als auch denjenigen auf Belassung eines Teils des pfändbaren Einkommens ab. Er begründete dies damit, dass eine Vollstreckung insoweit nicht unbillig sei. Gegen diese Ablehnung legte der Kläger Einspruch ein (Vollstr, Bl. 195).
Mit Schreiben vom 29. März 1999 wandte sich der Kläger im Wege einer einstweiligen Anordnung an das Finanzgericht (Gz. 1 V 99/99), mit dem Ziel der Aufhebung der fraglichen Pfändungsverfügung. Mit Beschluss vom 21. April 1999 wurde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 29. April 1999 (Bl. 1) wandte sich der Kläger an das Finanzgericht. Darin rügte er die Untätigkeit des Beklagten bezüglich seines Einspruchs vom 26. März 1999.
Mit Entscheidung vom 1. Juni 1999 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück (Bl. 25).
Der Kläger beantragt nunmehr,
die Pfändungsverfügung vom 23. Februar 1999 in Form der Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 1999 aufzuheben und ihm die gepfändete Sozialleistung nach § 850 f ZPO zu belassen.
Der Kläger macht geltend, die Pfändung des Arbeitslosengeldes über den pfändungsfreien Betrag von monatlich 1.219 DM hinaus sei nicht ermessensgerecht und bedrohe ihn in seiner Existenz, zumal seine Wohnungsmiete bereits 1.007 DM je Monat betrage.
Der Beklagte beantragt (Bl. 24),
die Klage als unbegründet zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist darauf, dass nunmehr nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 1999 die (Untätigkeits-)Klage zulässig geworden sei. In der Sache macht der Beklagte geltend, die Pfändung sei rechtmäßig erfolgt. Insbesondere sei nicht nachgewiesen, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen der notwendige Unterhalt des Klägers nicht gedeckt sei. Insoweit sei dem Kläger insbesondere auch zuzumuten, eine kostengünstigere Wohnung anzumieten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Steuer- und Vollstreckungsakten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, zulässig, nachdem der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 1999 den gegen die Pfändungsverfügung vom 23. Februar 1999 gerichteten Einspruch des Klägers zurückgewiesen hat (BFH. Beschluss vom 28. Oktober 1988 III B 184/86, BStBl. II 1989, 107).
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet, da die Pfändungsverfügung rechtmäßig ist.
2.1. Nach § 319 Abgabenordnung -AO- gelten im Verfahren nach der AO Beschränkungen und Verbote, die nach den §§ 850 bis 852 der ZPO und anderen gesetzlichen Bestimmungen für die Pfändung von Forderungen und Ansprüchen bestehen, sinngemäß. Nach § 319 AO i.V. mit § 850 f Abs. 1 a) ZPO kann die Finanzbehörde dem Schuldner auf Antrag von dem pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens bzw. der nach § 850 i Abs. 4 ZPO i.V. mit § 54 Abs. 4 Sozialgesetzbuch -SGB- gleichgestellten Sozialleistung einen Teil belassen, wenn der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes für sich nicht gedeckt ist und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegen stehen. Bei der Berechnung des Sozialhilfebedarfs sind nach allgemeiner Meinung dann nicht die realen Mietkosten anzusetzen, wenn der Schuldner eine unverhältnismäßig große und teure Wohnung bewohnt und ihm deshalb e...