Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsführerhaftung bei vorsätzlicher Umsatzsteuerpflichtverletzung. Haftung für Umsatzsteuer nebst Säumniszuschlägen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Neben der Geschäftsführerhaftung nach § 69 AO greift die Hinterzieherhaftung nach §§ 71, 370 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO ein, wenn der Geschäftsführer einer GmbH durch unrichtige, unvollständige oder unterlassene Angaben in abzugebenden Steuervoranmeldungen oder -erklärungen für die von ihm vertretene Gesellschaft nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, indem er auf diese Weise die nicht ordnungsgemäß vorangemeldeten bzw. erklärten Steuern zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Liquidität oder zur Verbesserung des Betriebsergebnisses der Gesellschaft dem Finanzamt vorenthält.

2. Auch soweit sich die Vorsatzhaftung des Geschäftsführers auf § 71 AO stützt, haftet er aufgrund des Schadensersatzcharakters der Haftungsnormen grundsätzlich nur bis zur Höhe der für eine Steuerhinterziehung überhaupt verfügbaren Gesellschaftsmittel, so dass er regelmäßig nicht in Höhe des vollen Steuerausfalles, sondern gemäß dem Prinzip der anteiligen Tilgung grundsätzlich nur insoweit haftet, als er das Finanzamt gegenüber anderen Gesellschaftsgläubigem benachteiligt hat und durch das Untertassen einer korrekten Umsatzsteuer(vor)anmeldung keine aussichtsreiche Vollstreckungs-, Verrechnungs- oder Aufrechnungsmöglichkeit des Finanzamtes vereitelt wurde. Anders als bei der Vorsatzhaftung nach § 69 AO ist für den Haftungsumfang der Hinterzieherhaftung jedoch nicht das Finanzamt, sondern der Geschäftsführer beweispflichtig.

3. Hat der Geschäftsführer lediglich grob fahrlässig pflichtwidrig gehandelt, so ist seine Inhaftungnahme regelmäßig ermessensfehlerfrei, wenn er im Falle einer untergegangenen GmbH die einzig noch vorhandene Person ist, die das Finanzamt für die verbliebene Steuerschuld der Gesellschaft in Anspruch nehmen kann. Ausnahmsweise kann seine Inhaftungnahme aber dann ermessenwidrig sein, wenn das Finanzamt am Auflaufen der Steuerrückstände, z. B. wegen grob pflichtwidriger oder gar vorsätzlicher Nichtwahrnehmung erfolgversprechender Vollstreckungsmöglichkeiten, ein Mitverschulden trifft.

 

Normenkette

AO § 69 S. 1, §§ 71, 34 Abs. 1, § 191 Abs. 1 S. 1, § 370 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Beteiligte

Finanzamt Sulzbach, vertreten durch den Vorsteher

 

Tenor

Unter Änderung des Umsatzsteuerhaftungsbescheides vom 28. September 1995 in Form der Einspruchsentscheidung vom 25. November 1996 wird die Haftungssumme auf 203.143 DM herabgesetzt.

Im Übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger zu 64/100 und dem Beklagten zu 36/100 auferlegt.

 

Tatbestand

Der Kläger war seit Mitte 1987 alleiniger Gesellschafter und ab April 1989 auch alleiniger Geschäftsführer der „N. K. G. jun. GmbH”, die im August 1991 zur G.-GmbH umfirmierte und ihr Gewerbe auf gesellschaftseigenem Grundbesitz in der S.-str. in S.-D. betrieb (Bl. 33 f., 37, 62 Dok; 239, 240 f. VollstrA II). Auf diesem Grundbesitz hatten auch die N.-GmbH sowie die „M. N. GmbH”, deren alleiniger Gesellschafter/Geschäftsführer ebenfalls der Kläger war, ihren Betriebssitz (Bl. 240 VollstrA II; 133 BeitrA I; Bilanz G.-GmbH, S. 12).

Nach sich ab 1992 häufenden Zahlungsschwierigkeiten stellte die G.-GmbH am 21. September 1995 Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens (Bl. 187, 188 VollstrA II), dem das Amtsgericht S. nach vorheriger Anordnung der Sequestration (22. September 1995, Bl. 212 VollstrA II) durch Eröffnungsbeschluss vom 7. Dezember 1995 entsprach (Bl. 217 VollstrA II). Bei Stellung des Konkursantrages waren zu Gunsten der Sparkasse S., der Bankenhauptgläubigerin der G.-GmbH, auf dem vorgenannten Grundbesitz Grundschulden über 800.000 DM eingetragen (Bl. 241, 244 VollstrA II). Als weitere Sicherheit bestand für die Sparkasse seit dem 23. Dezember 1992 eine globale Forderungszession (Bl. 241 VollstrA II).

Das Konkursverfahren war notwendig geworden, weil die Sparkasse S., bei welcher Betriebsschulden der G.-GmbH in Höhe von rd. 1.900.000 DM aufgelaufen waren, ein von einem Steuerberater- und Wirtschaftsprüferbüro erarbeitetes (Bl. 155/1 ff. VollstrA) und vom Beklagten grundsätzlich unterstütztes (Bl. 121 BeitrA I, 162, 167/1, 164/2 Rs. VollstrA III) Sanierungskonzept nicht mit tragen wollte (Bl. 161/2 VollstrA III, 125 ff. BeitrA I). Es wurde durch amtsgerichtlichen Beschluss vom 24. August 1998 (Bl. 61 VollstrA III) aufgehoben, nachdem der Beklagte erfolglos u. a. rückständige Umsatzsteueransprüche für die Jahre 1990 ff. zur Konkurstabelle angemeldet hatte (Bl. 227 ff., 274 ff. VollstrA II, 52 VollstrA III).

Bis zu ihrem Konkursantrag war die G.-GmbH seit Mitte 1991 wegen wiederholter Lohnsteuer- und Umsatzsteuerrückstände ein ständiger, unergiebiger Vollstreckungsfall (Bl. 1 ff. BeitrA I, VollstrA passim). U.a. wurden im Januar 1992 Kfz und Maschinen der G.-GmbH gepfändet, ihr jedoch bis zur Einleitung des Konkursverfahrens weiterhin zum Gebrauch überlassen (Bl. 216 VollstrA II).

Des Weit...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge