Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelte Haushaltsführung einer Alleinstehenden
Leitsatz (redaktionell)
Bei einer alleinstehenden Ärztin, die ihre sozialen Kontakte im Wesentlichen auf ihre Familie (Eltern, Geschwister) beschränkt, kann auch nach Jahren der auswärtigen Berufstätigkeit der Lebensmittelpunkt nach wie vor am Wohnort der Familie befinden, so dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer doppelte Haushaltsführung vorliegen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Tenor
Die Einkommensteuerbescheide 2002 vom 22. August 2003 und 2003 vom 3. August 2004, beide in Form der Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007, werden dahingehend geändert, dass weitere Aufwendungen i.H. von 8.286 Euro (2002) und 6.896 Euro (2003) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Berücksichtigung finden. Dem Beklagten wird aufgegeben, die Einkommensteuer 2002 und 2003 neu zu berechnen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird gestattet, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Ärztin, ist allein stehend. Sie streitet mit dem Beklagten um die steuerliche Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung.
Bis Herbst 2001 arbeitete die Klägerin im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsvertrages als Ärztin im Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie an der Bezirksklinik R in O. Im Dezember 2001 wechselte sie in das Knappschaftskrankenhaus in S. Der letzterwähnten Tätigkeit lag ein Ausbildungsvertrag mit Befristung bis längstens 31. Dezember 2005 zugrunde (Rbh, Bl. 26 f.). Mit Bestehen der Facharztprüfung für das Fachgebiet Neurologie sollte das Dienstverhältnis (früher) enden.
Während ihrer beruflichen Tätigkeit in S, die zwischenzeitlich beendet worden ist, bewohnte die Klägerin in einem Hotel ein möbiliertes Appartement mit einem Wohn-/Schlafzimmer (ca. 20 qm), einem Bad mit Toilette (ca. 8 qm) sowie einer Küche (ca. 10 qm). Hierfür zahlte sie einschließlich aller Nebenkosten einen monatlichen Betrag von 460 Euro (Rbh, Bl. 64). An ihrem Heimatort in K, der ca. 510 Kilometer von ihrer Arbeitsstelle in S entfernt liegt, steht der Klägerin ein Wohnrecht an einem 12 qm-großen Raum im Haus der Eltern zu (Rbh, Bl. 14, 64). Im Streitjahr 2002 suchte die Klägerin ihren Heimatort sechs Mal für insgesamt 46 Tage und im Streitjahr 2003 zwölf Mal für insgesamt 86 Tage auf (Rbh; Bl. 65 ff.).
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2002 und 2003 machte die Klägerin Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung i.H. von 5.520 Euro (ESt, Bl. 21) bzw. 5.060 Euro (ESt, Bl. 44) als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. In den Einkommensteuerbescheiden vom 22. August 2003 (ESt, Bl. 33) bzw. 3. August 2004 (ESt, Bl. 52) fanden diese Aufwendungen keine Berücksichtigung.
Die hiergegen am 1. September 2003 (Rbh, Bl. 6) und 10. August 2004 (Rbh, Bl. 61) eingelegten Einsprüche wies der zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007 (Rbh, Bl. 123 ff.) als unbegründet zurück. Dabei wurde die Einkommensteuer nach einem entsprechenden Hinweis auf die Möglichkeit der Verböserung auf 17.025 Euro bzw. 18.980 Euro erhöht.
Am 12. März 2007 hat die Klägerin Klage erhoben (Bl. 1).
Sie beantragt,
die Einkommensteuerbescheide 2002 vom 22. August 2003 und 2003 vom 3. August 2004, beide in Form der Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007, dahingehend zu ändern, dass weitere Aufwendungen i.H. von 8.286 Euro (2002) bzw. 6.896 Euro (2003) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Berücksichtigung finden.
Die Klägerin macht geltend, der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen habe sich in den Streitjahren in K befunden. Dementsprechend müsse die von ihr praktizierte doppelte Haushaltsführung steuerlich berücksichtigt werden (Bl. 35).
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte sieht die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung nicht als gegeben an.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Verwaltungsakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und auch begründet. Die streitigen Bescheide sind nicht rechtmäßig. Es liegt eine steuerlich relevante doppelte Haushaltsführung vor.
1. Rechtsgrundlagen
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach Nr. 5 Satz 2 der Vorschrift vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.
Hausstand im Sinne der Vorschrift ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also...