rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsverlegung wegen einwöchigem Seminar bei einfachem Streitprogramm. missbräuchlicher Terminsverlegungsantrag. Grundsatz der Individualablehnung. Prozessverschleppungsabsicht. Verfahrensaussetzung wegen Strafverfahren. erhöhte Sorgfaltspflicht bei Übermittlung umfangreicher Schriftsätze am letzten Tag der Frist per Fax. Antrag auf Urteilsergänzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Teilt das Gericht aufgrund des unmittelbar nach der Ladung eingegangenen Antrags auf Terminsverlegung drei Wochen vor dem Termin für die mündliche Verhandlung mit, dass eine Terminsverlegung wegen eines einwöchigen Seminars des in einer Einzelpraxis tätigen Prozessbevollmächtigten ausscheidet und verweist wegen des geringen Aufwands für die Einarbeitung in das einfach gestaltete Streitprogramm auf die Einschaltung eines anderen Bevollmächtigten, scheidet eine Terminsverlegung aus.
2. Besteht aufgrund der gesamten Verfahrensabläufe offenkundig die Absicht einer Prozessverschleppung, ist eine Terminsverlegung nicht geboten.
3. Enthalten Ablehnungsgesuche, die in der mündlichen Verhandlung gestellt werden und den Vorsitzenden des Senats und den Berichterstatter betreffen, weitgehend gleichlautende Begründungen, sind sie wegen der Verletzung des Grundsatzes der Individualablehnung missbräuchlich.
4. Dienen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Ablehnungsgesuche dem Ausschluss der in der Sache eingearbeiteten Richter aus dem Verfahren und damit der Verfahrensverzögerung und der Verhinderung einer abschließenden Entscheidung, sind die Ablehnungsgesuche als rechtsmissbräuchlich abzulehnen.
5. Fraglich erscheint, ob die Regelung über die Aussetzung des Verfahrens bei Verdacht einer Straftat gem. § 149 ZPO im finanzgerichtlichen Verfahren anwendbar ist.
6. Wer am letzten Tag einer Frist umfangreiche Schriftsätze von mehreren Hundert Seiten dem Gericht per Fax zuleitet, riskiert es, dass diese das Gericht nicht rechtzeitig erreichen. Diesbezüglich besteht eine bei der Entscheidung über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beachtende gesteigerte Sorgfaltspflicht.
7. Ein Antrag auf Urteilsergänzung nach § 109 FGO kann nicht auf das Übergehen von Beweisanträgen gestützt werden.
Normenkette
FGO §§ 51, 56, 109 Abs. 1; ZPO §§ 227, 44; FGO § 155
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Tatbestand
Mit Urteil vom 15. Mai 2008 hat der Senat die wegen Umsatzsteuer 1997 und 1998 erhobene Klage als unzulässig abgewiesen. Das Urteil wurde der Klägerin am 16. Juni 2008 zugestellt (Bl. 821).
Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2008 übermittelte die Klägerin dem Gericht per Fax einen Antrag auf Urteilsergänzung (Heft 1). Der Schriftsatz, der 42 Seiten umfasste, ging laut Fax-Journal des Gerichts vom 1. Juli 2008 am 30. Juni 2008 um 19.49 Uhr beim Finanzgericht ein. Der Schriftsatz, dem etliche Anlagen beigefügt waren, wies keine Unterschrift auf. Dies wurde der Klägerin am 1. Juli 2008 mitgeteilt.
Am 1. Juli 2008 übermittelte die Klägerin erneut per Fax den Antrag auf Urteilsergänzung vom 30. Juni 2008 (Heft 2). Der Schriftsatz wies 74 Seiten aus und endete mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
Am 21. Juli 2008 wies der Berichterstatter die Klägerin (erneut) darauf hin, dass der vollständige Schriftsatz mit dem Antrag auf Urteilsergänzung nicht fristgerecht gestellt worden und zwischenzeitlich auch die Frist hinsichtlich der Beantragung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verstrichen sei (Bl. 823).
Am 18. August 2008 stellte die Klägerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der nicht fristgerechten Stellung des Antrags auf Urteilsergänzung (Bl. 830).
Die Klägerin beantragt,
die Urteilsergänzung auf der Basis der ergänzten und berichtigten Tatbestände durchzuführen.
Ihr sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie unverschuldet die Frist zur Stellung des Antrags auf Urteilsergänzung versäumt habe. Nachweislich sei das gerichtliche Fax-Gerät überlastet gewesen, so dass die Ursache für den verspäteten Eingang des Antrags im Zuständigkeitsbereich des Gerichts zu finden sei.
Im Übrigen erhebt die Klägerin zahlreiche Verfahrensrügen. Überdies lehnt sie die Richter Dr. Schmidt-Liebig und Dr. Bilsdorfer wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Zudem beantragt die Klägerin, „das Verfahren gem. § 149 ZPO i.V. m. § 155 FGO auszusetzen, bis über den Verdacht einer Straftat rechtskräftig entschieden ist.” Sie macht geltend, die Handhabung des Senats verstoße gegen diverse Strafvorschriften.
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Ergänzung des Urteils vom 15. Mai 2008 ist unzulässig, zumindest aber unbegründet.
I. Allgemeine Verfahrensfragen
1. Ordnungsgemäße Ladung zum Termin der mü...