Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigung des Finanzamts zur Schätzung von Besteuerungsgrundlagen bei mangelnder Mitwirkung des Steuerpflichtigen. Höhe der Schätzung. Einkommensteuer 1996 bis 1998
Leitsatz (amtlich)
1. Das Finanzamt ist zur Schätzung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berechtigt, wenn der Steuerpflichtige ohne rechtfertigenden Grund keinerlei schriftliche Vereinbarungen oder sonstige Unterlagen zum Nachweis der von ihm behaupteten, lebensfremden und ungewöhnlichen Umstände vorlegt, aus denen sich einerseits der Nichterhalt von Mieteinnahmen, und andererseits der Erwerb des Eigentums an einem anderen Objekt „nur zum Schein” mit der Folge der Zurechnung der Einkünfte bei Dritten ergeben könnte.
2. Die Schätzung ist rechtmäßig, wenn sie nachvollziehbar ist und keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Strafschätzung erkennen lässt, wenn also die Höhe der geschätzten Einnahmen sich im ortsüblichen Bereich bewegt und im Rahmen der Schätzung auch Werbungskosten in angemessener Höhe berücksichtigt werden.
Normenkette
AO 1977 § 162 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 S. 1
Tenor
Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide vom 14. August 2000 in Form der Einspruchsentscheidung vom 19. April 2001 wird dem Beklagten aufgegeben, die Einkommensteuer für 1996 bis 1998 unter Berücksichtigung von Werbungskosten des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 5.000 DM je Streitjahr, von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 792 DM betreffend das Grundstück B.-weg 3, N., für 1997 sowie von Sonderausgaben in Höhe von 18.000 DM je Streitjahr neu zu berechnen.
Im Übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger wird zusammen mit seiner Ehefrau, einer Hausfrau, zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte in den Streitjahren 1996 bis 1998 als Diplom-Handelslehrer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Außerdem war er Eigentümer mehrerer Hausgrundstücke (Bl. 9).
Da die Eheleute für die Streitjahre keine Einkommensteuererklärungen abgaben, setzte der Beklagte die Einkommensteuer 1996 bis 1998 durch Bescheide vom 14. August 2000 nach geschätzten Besteuerungsgrundlagen fest. Dabei nahm er die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung mit 37.200 DM je Streitjahr an. Steuermindernd berücksichtigte er den Arbeitnehmer-Werbungskostenpauschbetrag von jährlich 2.000 DM, den Sonderausgabenpauschbetrag sowie die besondere Vorsorgepauschale (ESt 96-98).
Vornehmlich mit der Begründung, er habe in den Streitjahren erhebliche negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, legte der Kläger gegen die Bescheide vom 14. August 2000 Einspruch ein.
Anschließend wurde durch eine Kontrollmitteilung bekannt, dass der Kläger für ein N.-er Grundstück ab Oktober 1997 eine Monatsmiete in Höhe von 3.100 DM erzielt hat, er ferner Geschäftsführer einer „A. GmbH” war und 1999 den Negativsaldo eines von ihm geführten Sonderkontos „B.” betreffend eine B. GmbH in der vollen Höhe von 348.098,42 DM ausgeglichen hat (Bl. 42 f Rb).
Nach wiederholter vergeblicher Aufforderung zur Konkretisierung der Einspruchsbegründung setzte der Beklagte dem Kläger hierzu durch Verfügung vom 17. Januar 2001 eine Frist nach § 364b Abgabenordnung (AO) und forderte ihn zugleich zur Vorlage der Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre auf (Bl. 48 f. Rb). Unter Beifügung der Lohnsteuerkarten für seine Lehrertätigkeit reichte der Kläger fristgerecht nur von ihm unterschriebene Einkommensteuererklärungen der Eheleute für 1996 bis 1998 ein, in welchen er – jeweils ohne Beifügung von Belegen – seine Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit und die Sonderausgaben im Einzelnen konkret bezifferte sowie die Negativeinkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit Rotbeträgen in Höhe von 51.432 DM für 1996, 56.680 DM für 1997 und 84.668 DM für 1998 einsetzte.
In seiner am 19. April 2001 zur Post gegebenen teilstattgebenden Einspruchsentscheidung vom gleichen Tage (Bl. 7 ff., 75 Rb) folgte der Beklagte den Angaben der Einkommensteuererklärungen nur zum geringeren Teil. Insbesondere ließ er die hohen Negativeinkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt. Allerdings nahm er diesbezüglich nunmehr eine differenzierte Schätzung nach Mieteinnahmen, AfA und Werbungskosten vor, was zu einer erheblichen Herabsetzung der Einkommensteuer für alle drei Streitjahre führte.
Am 21. Mai 2001 hat der Kläger Klage erhoben.
Nach Setzung einer Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO – durch den Senatsvorsitzenden (Bl. 33) bezifferte der Kläger unter Hinweis auf eine gegen ihn laufende Fahndungsprüfung seine Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit nunmehr niedriger und wiederholte – ebenfalls beleglos – seine bislang nicht berücksichtigten Zahlenangaben betreffend seine negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und die Sonderausgaben der Eheleute (Bl. 35-37).
Durch Gerichtsbescheid vom 27. Juni 2002, dem Kläger zugestellt am 3. Jul...