rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV ist auch bei der Festsetzung der Vergütung eines beigeordneten Rechtsanwalts zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV anzurechnen.
  2. Die Anrechnung hängt nicht davon ab, ob die Geschäftsgebühr gezahlt, durchsetzbar oder tituliert ist.
  3. Die – im Hinblick auf das Ausfallrisiko bei Mandanten, denen ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, – im Ergebnis u.U. geringere Vergütung eines Anwalts, der vorprozessual für seinen Mandanten tätig war, ist aufgrund des typischerweise geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand im Gerichtsverfahren sachgerecht.
  4. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass für die außergerichtliche Tätigkeit in Kindergeldangelegenheiten keine Beratungshilfe gewährt werden kann.
 

Normenkette

RVG § 45 Abs. 1, § 55 Abs. 1; Vorb. 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV; Nr. 2400 VV; Nr. 3200 VV; ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 3; BerHG § 2 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

2007

 

Tatbestand

Die Klägerin erhob am 24.5.2007 unter dem Aktenzeichen Klage wegen der Ablehnung von Kindergeld. Mit Schriftsatz vom 6.6.2007 beantragte sie Prozesskostenhilfe, die der Senat im Hinblick auf die zum damaligen Zeitpunkt zweifelhafte Rechtslage hinsichtlich des Kindergeldanspruchs von Ausländern (§ 62 Abs. 2 des EinkommensteuergesetzesEStG) mit Beschluss vom 3.8.2007 ab Antragstellung bewilligte; gleichzeitig ordnete er der Klägerin den Erinnerungsführer gem. § 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) bei. Die Klage wies der Senat mit Urteil vom 23.11.2007 ab.

Der Erinnerungsführer beantragte daraufhin u.a. die Festsetzung einer Verfahrensgebühr in Höhe von 360 EUR (Streitwert 5.852 EUR). Mit Beschluss vom 17.1.2008 setzte die Urkundsbeamtin die nach §§ 45 ff. des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zu zahlende Vergütung mit 401,03 EUR fest. Die Verfahrensgebühr setzte sie zunächst nicht fest, da diese Gebühr bereits vor dem Zeitpunkt der Beiordnung entstanden sei. Gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss legte der Erinnerungsführer Erinnerung ein. Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung teilweise ab, indem sie mit Beschluss vom 16.4.2008 die Vergütung auf 567,38 EUR festsetzte. Dabei berücksichtigte sie zwar die 1,6fache Verfahrensgebühr in Höhe von 360 EUR, rechnete jedoch die hälftige 1,3fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV) mit 219,70 EUR unter Berufung auf Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV auf die Verfahrensgebühr an.

Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Anrechnung. Er ist der Auffassung, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr im finanzgerichtlichen Verfahren, für das keine Beratungshilfe gewährt wird, die Prozessbevollmächtigten benachteilige, da nicht zu erwarten sei, dass ihre Mandaten die Geschäftsgebühr bezahlten. Die Anwendung der im Zusammenhang mit der Kostenfestsetzung aufgestellten Grundsätze des BGH-Beschlusses vom 22.1.2008 VIII ZB 57/07 auf das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach §§ 45 ff. RVG sei unsinnig und unbillig.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist unbegründet.

1. Das Gericht entscheidet als Senat, da der Rechtsstreit nicht auf den Einzelrichter übertragen wurde (§ 6 der Finanzgerichtsordnung – FGO) und eine entsprechende Anwendung des §§ 56 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG für das finanzgerichtliche Verfahren ausscheidet (siehe Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 FGO Rn. 57 zur vergleichbaren Vorschrift des § 66 Abs. 6 S. 1 des Gerichtskostengesetzes, m.w.N., auch zur gegenteiligen Rechtsauffassung).

2. Gem. §§ 45 Abs. 1, 55 Abs. 1 RVG ist die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts in Höhe der gesetzlichen Vergütung festzusetzen, wobei die Höhe der Wertgebühr sich nach § 49 RVG richtet. Die Urkundsbeamtin hat zu Recht die Geschäftsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr angerechnet.

a) Der Vergütungsanspruch umfasst auch die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV. Diese entsteht gem. Vorbemerkung 3 Abs. 2 zu Teil 3 VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information, somit zwar bereits mit Klageerhebung durch den Bevollmächtigten, aber auch bei späteren Handlungen des Bevollmächtigten immer wieder erneut. Insoweit erfasst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch eine nach der Antragstellung entstehende Verfahrensgebühr, wenn bereits vor der Antragstellung eine Verfahrensgebühr entstanden war (FG Düsseldorf Beschluss vom 28.1.2008 14 Ko 3929/07 KF n.v.; OLG Oldenburg Beschluss vom 12.2.2007 6 W 165/06, NJW-RR 2007, 792 m.w.N).

b) Die Urkundsbeamtin hat zu Recht die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV zur Hälfte gem. Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV angerechnet. Der Senat folgt insoweit grundsätzlich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dieser Frage (BGH-Beschluss vom 22.1.2008 VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323; BGH-Bes...

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