rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Beiordnung eines Prozessvertreters; Prozesskostenhilfe; Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung; Prozessvertreter

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Verletzung von Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren rechtfertigt nicht die Versagung der Prozesskostenhilfe, da für deren Gewährung allein auf die Situation des Rechtssuchenden zum Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen ist. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe verstößt in diesem Fall auch nicht gegen Treu und Glauben (a. A. wohl Beschluss des BFH vom 22.12.1997 X B 90/97, BFH/NV 1998, 740).
  2. Demgegenüber ist die Beiordnung eines Bevollmächtigten im Finanzgerichtsprozess abzulehnen, wenn im Klageverfahren lediglich in der Sphäre des Klägers liegende Wissenserklärungen nachzuholen sind.
 

Normenkette

FGO § 142 Abs. 1; ZPO §§ 114, 121 Abs. 2

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin bezog Kindergeld für 3 Kinder, u. a. ihren Sohn“A” (geboren 1978). Der Sohn hatte im September 1998 eine dreijährige Ausbildung zum Industriebuchbinder begonnen. Aufgrund einer Mitteilung des“Arbeitgebers” (vom 15.09.1998) über die voraussichtliche Höhe der Ausbildungsvergütung gewährte das Arbeitsamt -Familienkasse- der Antragstellerin für 1999 weiterhin Kindergeld für“A”. Aufgrund einer erneuten Ausbildungsbescheinigung des“Arbeitgebers” (vom 15.02.2000) ergab sich, dass der Sohn im Jahr 1999 tarifbedingt höhere Ausbildungsvergütungen als ursprünglich angegeben bezogen hatte, nämlich insgesamt 15.448 DM. Die Familienkasse errechnete -unter Berücksichtigung des Werbungskostenpauschbetrags von 2.000 DM- Einkünfte des Sohnes von 13.448 DM, die die schädliche Einkunftsgrenze des § 32 Abs. 4 S. 2 Einkommensteuergesetz -EStG- (für 1999: 13.020 DM) überschritten, hob infolgedessen die Festsetzung des Kindergelds für“A” rückwirkend für das gesamte Jahr 1999 auf und forderte gezahltes Kindergeld in Höhe von 3.600 DM zurück (Bescheid vom 15.03.2000).

Hiergegen erhob die Antragstellerin, fachkundig vertreten, Einspruch und trug lediglich vor, ihr Sohn habe “sämtliche Belege über Ausbildungsgeld” vorgelegt. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Familienkasse vertrat die Auffassung, die Einkünfte von“A” hätten im Jahr 1999 die maßgebliche Einkunftsgrenze von 13.020 DM überstiegen. Demzufolge sei die Kindergeldfestsetzung gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung 1977 -AO- rückwirkend zu ändern und das gezahlte Kindergeld gemäß § 37 Abs. 2 AO zurückzufordern gewesen.

Hiergegen hat die Antragstellerin Klage erhoben (Aktenzeichen 18 K 3853/00 Kg), über die noch nicht entschieden ist. Sie beantragt zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe -PKH- für diesen Rechtsstreit unter Beiordnung ihrer Prozessvertreterin. Zur Begründung trägt sie vor, die Werbungskosten des Sohnes in 1999 hätten den Pauschbetrag von 2.000 DM überstiegen. In diesem Zusammenhang legt sie eine Reparaturrechnung (vom Dezember 1999 über insgesamt 960 DM) und einen Beleg über gezahlte Kraftfahrzeugsteuer (237 DM) vor, beide betreffend das Kraftfahrzeug des Sohnes. Außerdem verweist sie darauf, dass der Sohn regelmäßig zur Arbeitsstelle (einfache Strecke: 17 km) und zur Berufsschule (einfache Strecke: 37 km) gefahren sei und Verpflegungsmehraufwendungen gehabt habe.

Nach Anregung durch die Familienkasse hat die Antragstellerin u. a. eine Aufstellung der von ihrem Sohn im Jahr 1999 aufgewendeten Werbungskosten eingereicht; hierin sind u. a. Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an ca. 220 Tagen (bei einfacher Entfernung von ca. 30 km) und Fahrten zwischen Wohnung und Berufsschule an ca. 40 Tagen (Hin- und Rückfahrt 75 km) angegeben. Auf weitere Nachfrage hat die Antragstellerin mitgeteilt, dass (regelmäßige) Ausbildungsstelle des Sohnes ist.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten im Klageverfahren und die dem Gericht übersandte Kindergeldakte der Familienkasse Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist teilweise begründet.

Der Antragstellerin ist PKH ohne Beiordnung der von ihr benannten Rechtsanwältin, ihrer Prozessvertreterin, zu gewähren. Dies hat zur Folge, dass die PKH die gerichtlichen Kosten der Antragstellerin abdeckt, nicht jedoch ihre außergerichtlichen Kosten.

1. Nach § 142 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung -ZPO- erhält ein Prozessbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

a) Die Klage der Antragstellerin hat bei summarischer Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg; denn dem Sohn der Antragstellerin dürften im Jahr 1999 so hohe Werbungskosten entstanden sein, dass seine Einkünfte -bei unstreitigen Einnahmen von 15.448 DM- die für 1999 geltende “kindergeldschädliche” Einkunftsgrenze des § 32 Abs...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge