Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis – Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz einer Steuerberatungs-GmbH

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Gesetzgeber hat auch für die Berufsgruppe der Steuerberater die Gefährdung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz durch die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis bewusst in Kauf genommen.
  2. Hat der Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH ohne Angabe eines Grundes die Abgabe der Vermögensauskunft verweigert und ist die GmbH ihrer Verpflichtung zur zeitnahen vollständige Tilgung der Steuerschuld (im Streitfall: über 110.000 €) nicht nachgekommen, ist die Anordnung ihrer Eintragung in das Schuldnerverzeichnis – vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls - ermessensgerecht.
  3. Die Finanzbehörde ist im Rahmen dieser Ermessensentscheidung nicht verpflichtet, den Gründen nachzugehen, die nach dem Vortrag der Schuldnerin zu den hohen Steuerschulden bzw. zu seiner Zahlungsunfähigkeit geführt haben sollen.
  4. Eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte kann nicht auf die die Existenzgefährdung des Schuldners durch die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis gestützt werden.
 

Normenkette

AO § 284 Abs. 6 S. 5, Abs. 9 S. 1 Nrn. 1, 3, Abs. 10 S. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3, § 102; ZPO § 882h Abs. 1; StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 3

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob eine Eintragungsanordnung i.S.d. § 284 Abs. 9 der Abgabenordnung (AO) von der Vollziehung auszusetzen ist.

Die Antragstellerin ist eine im Jahr 2006 gegründete Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Alleingesellschafter und Geschäftsführer ist Steuerberater A. Gegenstand des Unternehmens ist die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen im Sinne des § 33 i.V.m. § 57 Abs. 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG).

Schon seit dem Jahr 2016 betreibt der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin die Zwangsvollstreckung. Unter Hinweis hierauf sowie darauf, dass die Antragstellerin ihre Steuererklärungen der Jahre 2007 bis 2015 nicht rechtzeitig abgegeben habe und für nahezu alle Veranlagungszeiträume Schätzungsbescheide ergangen seien, erfolgte am 20.03.2018 eine Meldung bei der Steuerberaterkammer. Die Vollstreckungsgeschichte stellt sich nach Aktenlage wie folgt dar:

Die erste Pfändungs- und Einziehungsverfügung stammt vom 00.11.2016. Ihr folgten diverse weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber Banken (00.08.2017, 00.09.2017, 00.09.2017, 00.11.2017 und 00.01.2018) und vier Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 03.01.2018 gegenüber Mandanten.

Mit Bescheid vom 08.11.2017 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin wegen offener Rückstände i.H.v. 25.463,88 € zur Abgabe einer Vermögensauskunft auf. Der Bescheid wurde am 15.01.2018 im Einspruchsverfahren aufgehoben, nachdem die bezeichneten Steuerschulden beglichen worden waren.

Mit Bescheid vom 05.02.2018 erfolgte eine neue Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft, diesmal wegen Steuerschulden i.H.v. 94.208,13 €. Als Termin wurde der 19.03.2018 bestimmt. Ausweislich eines Aktenvermerks rief A an diesem Tag bei dem Antragsgegner an und berief sich darauf, wegen Grippe nicht erscheinen zu können. Der Termin wurde daraufhin mit Schreiben vom 19.03.2018 auf den 11.04.2018 verlegt. Zu diesem Termin erschien für die Antragstellerin niemand; Hinderungsgründe wurden nicht mitgeteilt. Der Antragsgegner nahm dies zum Anlass, mit Schreiben vom 11.04.2018 die Anordnung der Haft des Geschäftsführers der Antragstellerin nach § 284 Abs. 8 AO beim Amtsgericht zu beantragen. Die Rückstände waren zu diesem Zeitpunkt auf 113.039,32 € angewachsen. Dem Antrag wurde mit Haftbefehl vom 18.04.2018 entsprochen.

Mit Bescheid vom 11.04.2018 ordnete der Antragsgegner zudem die Eintragung der Antragstellerin in das Schuldnerverzeichnis nach § 284 Abs. 9 AO an. Die Antragstellerin legte hiergegen Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung trug sie Folgendes vor: Die Maßnahme sei unverhältnismäßig, da sie zur Vernichtung ihrer Existenz führe. Für die Steuerschulden seien Mandatsverluste, ein plötzlicher Liquiditätsverlust durch Kündigung von Kontokorrentkrediten und hohe Personalkosten ursächlich gewesen. Diese Umstände seien vom Antragsgegner ebenso wenig gewürdigt worden wie die Bemühungen und Anstrengungen des A, die Steuerrückstände durch Veräußerung privater Immobilien zu beseitigen. Mit notariellem Vertrag vom 20.04.2018 sei bereits eine Eigentumswohnung in Z-Stadt für 172.000 € verkauft worden. Der Kaufpreis werde voraussichtlich im Mai oder Juni bezahlt werden.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde mit Schreiben vom 29.05.2018 abgelehnt unter Hinweis darauf, dass die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis ermessensgerecht sei. Bei der Ermessensentscheidung sei insbesondere der Zweck des Schuldnerverzeichnisses zu berücksichtigen, nämlich, den redlichen Geschäftsverkehr vor unzuverlässigen Schuldnern zu schützen. Dass A eine Wohnung verkauft habe, lasse die Voraussetzu...

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