Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung: Subsidiarität der Anhörungsrüge gegenüber Änderungsantrag nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO – Berufung auf bislang nicht geltend gemachte Umstände – Erforderlichkeit der Gewährung rechtlichen Gehörs zur Antragserwiderung
Leitsatz (redaktionell)
- Die Anhörungsrüge i.S.d. § 133a FGO ist gegenüber dem Antrag nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO nicht generell subsidiär.
- Macht der Antragsteller nach der Entscheidung über seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung explizit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, ist dies auch dann als Anhörungsrüge und nicht als Änderungsantrag nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO zu werten, wenn er sich zusätzlich auf ohne Verschulden im ursprünglichen Verfahren nicht geltend gemachte Umstände beruft.
- Aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bestehenden Eilbedürftigkeit ist es nicht geboten, die Erwiderung des Antragsgegners auf die Antragsbegründung der Gegenseite wiederum mit einer Frist zur Stellungnahme und nicht lediglich zur Kenntnisnahme zu übermitteln.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, 6 S. 2, § 133a Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob das Gericht in seinem Beschluss vom 26. September 2014 (Az. 13 K 2563/14 A(G)), mit dem es den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Antragstellers abgelehnt hat, den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 133a Abs. 1 FGO).
Der Antragsteller beantragte in dem Verfahren 13 K 2563/14 A (G) die Aussetzung der Vollziehung von Gewerbesteuermessbescheiden für die Jahre 2005 bis 2007. Als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer griechischen Rechts vertrat er die Auffassung, freiberuflich tätig zu sein. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gem. § 69 Abs. 3 FGO vom 11. August 2014 wurde dem Antragsgegner vom Gericht zur Stellungnahme übersandt. Die angeforderte Stellungnahme erging mit Schreiben vom 9. September 2014 und wurde dem Antragsteller am 16. September 2014 per Fax zur Kenntnisnahme übersandt. Das Gericht lehnte nachfolgend den Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 26. September 2014 ab.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der Anhörungsrüge und macht geltend, dass er in seinem rechtlichen Gehör verletzt sei, da das Gericht ihm nicht ausreichend Zeit für eine Erwiderung auf die Stellungnahme des Antragsgegners eingeräumt habe. Da er häufig im Ausland unterwegs sei, wäre eine Frist zur Stellungnahme von vier Wochen angemessen gewesen.
Inhaltlich trägt er als Reaktion auf die Stellungnahme des Antragsgegners vor, dass entgegen der Aussage des Antragsgegners eine bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafter er war, durchgeführte Außenprüfung nicht erst am 21. April 2010 mit einer Schlussbesprechung geendet habe, sondern bereits am 10. Dezember 2009. Er legt hierzu eidesstattliche Versicherungen seiner Mitarbeiter vor, wonach die Außenprüfer an diesem Tag unmittelbar nach Beendigung der Außenprüfung in den Geschäftsräumen der GbR ein abschließendes Gespräch mit ihm geführt hätten. Bei dem Termin am 21. April 2010 habe es sich lediglich um einen Erörterungstermin und Verhandlungstermin gehandelt, um eine tatsächliche Verständigung zu erzielen. Daher sei gem. § 171 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 169 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) entgegen der Auffassung des Gerichts bereits mit Ablauf des Jahres 2013 Festsetzungsverjährung eingetreten.
Ferner habe das Finanzgericht übersehen, dass er als Gesamtrechtsnachfolger der im Jahr 2007 durch Austritt seines Mitgesellschafters beendeten GbR nur im Rahmen des § 75 AO hafte. Diese Haftung sei aber zeitlich und qualitativ begrenzt.
Schließlich trägt er vor, dass die Einordnung seiner steuerberatenden Tätigkeit als gewerblich gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art 49 AEUV und die Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV verstoße und somit europarechtswidrig sei. Auch dies habe das Gericht übersehen.
Entscheidungsgründe
Die im Streitfall form- und fristgerecht erhobene Anhörungsrüge ist zulässig, aber unbegründet. In der Folge bleibt es bei dem Beschluss vom 26. September 2014.
I. Die Anhörungsrüge ist gem. § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO statthaft, da gegen den ergangenen Beschluss im vorläufigen Rechtsschutz kein Rechtsmittel oder anderer Rechtsbehelf gegeben ist. Der Antragsteller muss sich nicht auf § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO verweisen lassen (vgl. zum Streitstand Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 133a FGO, Rz. 4). Während es § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO dem Antragsteller ermöglicht, nach Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht den Antrag erneut zu stellen, wenn veränderte Umstände vorliegen oder er ohne Verschulden im ursprünglichen Verfahren Umstände nicht geltend gemacht hat, ist der Anwendungsbereich der Anhörungsrüge gem. § 133a FGO nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auf die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs beschränkt (Ruban in Gräber, FGO, § 133a Rz. 3). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt von dem erkenne...