Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung der Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft: Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als gesetzlich bestimmte Rechtsfolge nach § 284 Abs. 3 AO n.F.
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung handelt es sich nach der ab dem 1.1.2013 geltenden Fassung des § 284 Abs. 3 AO nur noch um eine zwangsläufige, durch die Abgabe der Vermögensauskunft ausgelöste Rechtsfolge, die keiner gesonderten Entscheidung der Vollstreckungsbehörde in Form eines Verwaltungsaktes mehr bedarf.
- Eine anhängige Klage gegen eine im Jahr 2013 ergangene Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft und gegen die Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis hindert das FA nicht, den Steuerschuldner zu einem späteren Zeitpunkt – jedenfalls aber nach mehr als zwei Jahren - erneut zur Abgabe einer Vermögensauskunft wegen zum Teil identischer Rückstände aufzufordern.
- Der Umstand, dass der Steuerschuldner bei Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung seine Zulassung als Rechtsanwalt wegen Vermögensverfalls verlieren könnte, steht – vorbehaltlich der ermessensgerechten Abwägung der Gesamtumstände des Einzelfalls - der Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht entgegen.
- Da die Möglichkeit der wirtschaftlichen und sozialen Existenzgefährdung im Rahmen des § 284 AO gerade keine außergewöhnliche, sondern eine typische Folge ist, ist dieser Gesichtspunkt ungeeignet, eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte zu begründen.
Normenkette
AO § 284 Abs. 1 S. 1, Abs. 3-4, 9-10; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3, § 102 S. 1; ZPO § 802c Abs. 3, § 882h Abs. 1
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob eine Ladung zur Abgabe einer Vermögensauskunft i.S.d. § 284 AO von der Vollziehung auszusetzen ist.
Der Antragsteller ist als Rechtsanwalt selbständig tätig.
Mit Bescheid vom 16.05.2013 wurde er vom Finanzamt A wegen Steuerrückständen i.H.v. 439.860,45 € unter Verweis auf § 284 AO aufgefordert, Auskunft über sein Vermögen zu erteilen. Der Antragsteller erschien zwar am 19.07.2013 an Amtsstelle und legte dort einen ausgefüllten Vordruck "Vermögensverzeichnis" vor. Er weigerte sich jedoch, seine Angaben an Eides statt zu versichern und gab insoweit folgende Erklärung zu Protokoll:
"Ich gebe die Versicherung an Eides statt nicht ab, weil ich meine Vermögensverhältnisse freiwillig offenbare ohne damit die Vermögensauskunft abzugeben, weil ich gegen die Anordnung Einspruch eingelegt habe und das Rechtsmittel unverzüglich begründen werde. Die Vermögensauskunft würde mir die Möglichkeit nehmen beruflich weiter tätig sein und mir damit die Möglichkeit nehmen Einkünfte zu erzielen um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten und im möglichen Rahmen Steuern zu bezahlen."
Das Finanzamt A nahm dies zum Anlass, mit Bescheid vom 30.08.2013 die Eintragung des Antragstellers in das Schuldnerverzeichnis wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft anzuordnen.
Nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhob der Antragsteller unter dem Az. 13 K 4234/13 KV sowohl gegen die Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft vom 16.05.2013 als auch gegen die Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis vom 30.08.2013 Klage, über die noch nicht entschieden wurde.
Mit Bescheid vom 21.07.2015 lud der Antragsgegner den Antragsteller ebenfalls zur Abgabe einer Vermögensauskunft nach § 284 AO, und zwar für den 20.08.2015 wegen Rückständen i.H. 577.245,28 €. Das Schreiben enthält den Hinweis, dass der Kläger zu Protokoll an Eides statt zu versichern habe, dass er die von ihm verlangten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe. Ausführungen zu Ermessenserwägungen fehlen.
Der Antragsteller legte hiergegen Einspruch ein und stellte zugleich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt. Er vertrat dabei die Auffassung, dass schon deshalb Aussetzung der Vollziehung zu gewähren sei, weil die in dem Bescheid vom 21.07.2015 genannten Steuerforderungen mit den Steuerforderungen, die dem Verfahren 13 K 4234/13 KV zugrundeliegen würden, nahezu identisch seien und der Ausgang des Klageverfahrens 13 K 4234/13 KV abzuwarten sei.
Im Übrigen seien einzelne Steuerrückstände nicht zutreffend benannt worden, und zwar zum Teil deshalb, weil diese bereits erloschen seien, und zum Teil deshalb, weil die zu Grunde liegenden Steuerfestsetzungen rechtswidrig seien und insoweit noch Einsprüche bzw. Klagen anhängig seien.
Angesichts der nachweisbar falschen Forderungsaufstellung an rückständigen Steuern stelle es eine unbillige Härte dar, die Abgabe der Vermögensauskunft von ihm zu verlangen, zumal die letztlich erfolgende Eintragung in das zentrale Schuldnerverzeichnis für ihn eine Existenzvernichtung bedeute. Es würden auch keine vorrangigen öffentlichen Interessen vorliegen, ihn - den Antragsteller - vor der Klarstellung etwa tatsächlich noch offener Steuerverbindlichkeiten zur Vermögensauskunft zu zwingen, zumal dies zur Folge hätte, dass die Finanzverwaltung in Zukunft ke...