Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme einer Umsatzsteuerkürzung für Warenbezüge aus der DDR
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Entscheidung über die Rücknahme einer Umsatzsteuerkürzung für Warenbezüge aus der DDR ist Grundlagenbescheid für die Umsatzsteuerfestsetzung.
2. Durch Sicherheitsleistung im Arrestverfahren wird die Verjährung der nach Festsetzung fällig werdenden Steueransprüche unterbrochen.
3. Gehen Warenbezügen aus der DDR Kompensationslieferungen gleichartiger Auslandwaren voraus, so begründet dies gewichtige Zweifel an dem DDR-Ursprung der bezogenen Waren, aufgrund derer die Finanzbehörde die Umsatzsteuerkürzung versagen kann, wenn dem Steuerpflichtigen kein gegenteiliger Nachweis gelingt.
Normenkette
UStG § 26 Abs. 4; AO § 130 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 1, § 175 Abs. 1 Nr. 1, § 231 Abs. 1-2; EGAO Art. 97 § 9 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist im vorliegenden Gerichtsverfahren die Frage, ob der Klägerin -Klin.- Kürzungsbeträge für Warenbezüge aus dem Währungsgebiet der (ehemaligen) DDR aufgrund der Verwaltungsanweisungen zu § 26 Abs. 4 UStG i. H. v.:
1972 = |
11 % von |
10.640.971,00 DM = |
1.170.507,00 DM |
1973 = |
11 % von |
3.262,509,00 DM = |
358.876,00 DM |
|
|
insgesamt |
1.529.383,00 DM |
zustehen.
Die A GmbH (Klin.) wurde am 8.3.1971 gegründet und als weiteres Unternehmen der Firmengruppe des Herrn C im Handelsregister mit Sitz in A-Stadt eingetragen. Hauptgesellschafter (97,5 v.H.) und alleiniger Geschäftsführer war Herr C, wohnhaft in B-Stadt/Niederlande, der auch Hauptgesellschafter mehrerer anderer Firmen im In- und Ausland war. Die restlichen Anteile an der Klin. hielt Frau E treuhänderisch für Herrn C. Sie war gleichzeitig als Prokuristin der Klin. tätig. Gegenstand des Unternehmens war der Im- und Export sowie der Binnenhandel mit Textilien und Handschuhen.
Bis zur Gründung einer weiteren Firma, der Firma B GmbH, deren Hauptgesellschafter und Geschäftsführer F persönlicher Berater von Herrn C und alleinvertretungsberechtigter Handlungsbevollmächtigter der Klin. war, im März 1973 bezog die Klin. u.a. Waren aus der DDR.
Den Wert der nach § 26 Abs. 4 UStG begünstigten Warenbezüge aus der DDR gab die Klin. in ihren Steuererklärungen
für 1972 |
mit 18.369.495,00 DM |
für 1973 |
mit 3.262.509,00 DM |
an.
Aufgrund von Umsatzsteuersonderprüfungen erhöhte das Finanzamt die Warenbezüge 1972 auf 18.985.145,00 DM und setzte mit vorläufigen Steuerbescheiden vom 20.5.1975 bzw. 23.10.1975 die Umsatzsteuer der Klin. wie folgt fest:
1972 = |
./. 412.710,45 DM |
1973 = |
./. 404.050,65 DM. |
Soweit nicht bereits im Voranmeldungsverfahren geschehen, wurden die verbleibenden Guthaben zum Ausgleich der Erhebungskonten im Jahre 1975 erstattet.
Aufgrund eines Verdachtes, daß die von Herrn C gesteuerte Firmengruppe Textilien aus Ostblock-Staaten über die DDR im Rahmen des innerdeutschen Handels in die Bundesrepublik eingeführt und von dort (teilweise) in EG-Länder exportiert haben könnte, begann die Steuerfahndungsstelle A-Stadt aufgrund von Beschlüssen des Amtsgerichts A-Stadt am 7.9.1976 mit einer Fahndungsprüfung bei der Klin. und anderen verbundenen Unternehmen. Sie führte u.a. zu dem die Klin. betreffenden Prüfungsbericht - Teil 1 - vom 21.2.1979 - S 1603 B - F 145/76 für die Besteuerungszeiträume 1972 bis 1976. Ein weiterer Bericht erging zu der B GmbH.
Soweit sie die steuerlichen Angelegenheiten der Klin. in den Jahren 1972 und 1973 betreffen, kommen die Ausführungen im Bericht zusammengefaßt zu folgenden Sachverhaltsfeststellungen zur Abwicklung der DDR-Geschäfte:
Herr C sei in den Streitjahren unbestritten Inhaber, Beteiligter oder Anteilseigner mehrerer Firmen im In- und Ausland gewesen und habe zumindest großen Einfluß bei weiteren Firmen ausgeübt, die an den in Frage stehenden DDR-Geschäften beteiligt gewesen seien (Tz. 3-16 des Berichts). Im allgemeinen seien die Geschäfte in der Weise abgewickelt worden, daß die C-Firma G, C-Stadt, Textilien bei der Firma H, Schweiz, bestellt habe, die dann die Waren in Rumänien, Polen und Korea geordert habe. Teilweise unter Einschaltung der Finanzierungsgesellschaft J in D-Stadt habe H die Waren an die DDR-Staatshandelsfirmen K und L verkauft, die bereits feste Abnahmeverpflichtungen mit der Klin. in der Bundesrepublik gehabt hätten. Die Klin. habe die Textilien im Rahmen des innerdeutschen Handels auf Bezugsgenehmigung bzw. im Rahmen des AG3B-Verfahrens eingeführt, die Waren an verschiedene Firmen (teils Tochter- oder Schwestergesellschaften oder befreundete Firmen) weiterverkauft, die diese Waren schließlich zum Teil an C-Firmen in den Niederlanden (z.B. N, O, P und G) ausgeführt hätten (Tz. 12 des Berichts).
Weitere Einzelheiten zur Geschäftsabwicklung wurden in umfangreichen Ausführungen in Tz. 22 und 23 des Fahndungsberichts dargestellt. Nach den Annahmen der Prüfung gelangten in einem weit verzweigten Liefernetz Drittlandswaren über die DDR in das Bundesgebiet. Die Begründung für diese Auffassung ergab sich für die Prüfer sowohl aus der eingese...