rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzweigung von Kindergeld an das Kind trotz Nichtvorliegens einer Unterhaltsverletzung
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Abzweigung des Kindergeldes an das Kind ist auch dann zulässig und geboten, wenn der Kindergeldberechtigte – unabhängig von der Verletzung einer etwaigen Unterhaltspflicht – tatsächlich keinen Unterhalt leistet.
- Durch das bloße Angebot von Kost und Logis wird die Unterhaltspflicht nicht tatsächlich erfüllt.
- Durch die Nichtannahme in zulässiger Form bestimmten und angebotenen Unterhalts werden Eltern von ihrer Unterhaltspflicht befreit.
Normenkette
EStG § 74 Abs. 1; BGB § 1612 Abs. 2
Streitjahr(e)
2003, 2004, 2005
Tatbestand
Die am 11. Juli 1985 geborene Klägerin ist die Tochter des Beigeladenen Herrn R.
Die Klägerin hat am 15. November 2002 eine Ausbildung als Arzthelferin begonnen, das Ausbildungsverhältnis soll voraussichtlich am 14. November 2005 enden.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 2003 bat der Beigeladene, das Kindergeld für die Klägerin direkt an diese auszuzahlen. Da der Beigeladene noch Kindergeld für Geschwister der Klägerin bezog, teilte die Beklagte ihm mit, dass seiner Bitte nicht entsprochen werden könne. Die Überweisung des gesamten Kindergeldes könne grundsätzlich nur auf ein Konto erfolgen.
Daraufhin beantragte die Klägerin selbst unter dem 7. November 2003 die Gewährung von Kindergeld. In der Folgezeit schrieb die Beklagte den Beigeladenen an und bat um Mitteilung, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe er der Klägerin tatsächlich monatlich Unterhalt erbringe.
Der Beigeladene gab unter dem 22. November 2003 an, seine Tochter sei gegen seinen Willen aus der elterlichen Wohnung ausgezogen. Sie lebe jetzt mit ihrem Freund zusammen. Wohnung und Verpflegung stünden ihr im elterlichen Haus weiter zur Verfügung.
Die Klägerin selbst erklärte dazu, weder ihr Vater noch ihre Mutter leisteten Unterhalt.
Mit Bescheid vom 28. November 2003 lehnte die Beklagte sodann den Antrag der Klägerin auf Abzweigung des Kindergeldes ab. Zur Begründung führte sie aus, die „Mutter” komme ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin nach, da sie weiterhin Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung stelle. Da die Klägerin dieses jedoch aus eigenen Stücken nicht annehme, liege eine Unterhaltsverletzung seitens der „Mutter” nicht vor.
Mit Schreiben vom 16. Februar 2004 legte die Klägerin dagegen „Widerspruch” ein.
Ebenfalls unter dem 16. Februar 2004, bei der Beklagten eingegangen am 23. Februar 2004, beantragte die Klägerin erneut die Auszahlung des Kindergeldes an sich selbst.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15. März 2004 wies die Beklagte den Einspruch der Klägerin als unzulässig zurück und mit Bescheid vom 7. April 2004 lehnte sie den Antrag der Klägerin „vom 23. Februar 2004” ab.
Unter dem 14. April 2004 bat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin um Überprüfung der Entscheidung vom 15. März 2004, da die Klägerin zusammen mit ihrem Einspruch ein weiteres Schreiben an das Arbeitsamt gesandt habe, welches auch tatsächlich eingegangen sei.
Mit Schreiben vom 20. April 2004 legte die Klägerin außerdem „Widerspruch” gegen den Bescheid vom 7. April 2004 ein.
Am 7. Mai 2004 ging bei der Beklagten die Kopie eines Schreibens der Klägerin vom 9. Dezember 2003 ein, auf das Bezug genommen wird. Ein Mitarbeiter der Beklagten vermerkte dazu, dass das Schreiben aus der Berufsausbildungsbeihilfe-Akte kopiert worden sei.
Mit Bescheid vom 8. Juni 2004 korrigierte die Beklagte den Bescheid vom 7. April 2004 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a Abgabenordnung - AO -, teilte mit, dass dem Einspruch damit entsprochen werde und kündigte die Festsetzung von Kindergeld ab Mai 2004 sowie die Auszahlung an die Klägerin an.
Ebenfalls mit Bescheid vom 8. Juni 2004 teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit, dass aus seinem Kindergeldanspruch ab Mai 2004 ein Betrag von 154 € monatlich an die Tochter abgezweigt werde, da er der Klägerin keinen Unterhalt gewähre.
Gegen diesen Bescheid legte wiederum der Beigeladene mit Schreiben vom 16. Juni 2004 Einspruch ein und führte aus, er gewähre der Klägerin Naturalunterhalt, der von der Klägerin jedoch nicht angenommen werde. Die Tochter sei gegen seinen Willen ausgezogen und nehme daher den ihr angebotenen und gewährten Naturalunterhalt nicht entgegen. Die Aufwendungen für die Tochter liefen grundsätzlich weiter (Versicherungen, Wohnraum etc.).
Mit Schreiben vom 4. August 2004 zog die Beklagte die Klägerin zum Einspruchsverfahren des Vaters hinzu.
Mit Bescheid vom 6. September 2004, adressiert an den Beigeladenen, korrigierte die Beklagte den Bescheid vom 8. Juni 2004 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AO und teilte dem Vater mit, dass ihm das Kindergeld ab Juli 2004 in Höhe von 308 € monatlich weitergezahlt werde.
Unter dem 8. September 2004 erließ die Beklagte außerdem gegenüber dem Beigeladenen eine Einspruchsentscheidung und gab dem Einspruch des Beigeladenen statt. Zur Begründung führte sie aus, Kindergeld könne an ein Kind bzw. an die für seinen Unterhalt ...